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Opern-Kritik: Oper Frankfurt – Iwan Sussanin

Kraftloser Belcanto

(Frankfurt am Main, 25.10.2015) Altmeister Harry Kupfer verlegt Glinkas russische Nationaloper in den Zweiten Weltkrieg – und scheitert

vonAndreas Falentin,

Patriotische Sujets ungebrochen auf die Bühne zu bringen, scheint heutzutage aus verschiedenen Gründen unmöglich geworden zu sein. In Frankfurt versucht Harry Kupfer dem zu begegnen, indem er den auf deutschen Bühnen kaum je zu sehenden Iwan Sussanin aus dem 17. Jahrhundert in den Zweiten Weltkrieg verlegt. Dennoch scheitert der Regie-Altmeister auf ganzer Linie.

Italienischer Belcanto trifft russische Folklore

Dabei ist die 1836 unter dem Titel Ein Leben für den Zaren uraufgeführte erste russische Nationaloper angefüllt mit wunderbarer Musik. Rossini und Donizetti, deren Werke Glinka auf seinen Reisen nach Mitteleuropa kennengelernt hatte, verbinden sich hier mit der Melodik und Harmonik russischer Volkstänze und -lieder zu einer außergewöhnlich farbenreichen und originellen Komposition.

Handlungsstringenz und dynamische Theatralik stehen dabei eher nicht im Vordergrund. Für die überschaubare Geschichte vom reichen Bauern Sussanin, der eine feindliche Soldateska in die Irre führt, um sein Land zu schützen, obwohl er weiß, dass ihn dies sein Leben kosten wird, schrieb der Komponist über drei Stunden Musik mit wunderbaren Ensembles und etlichen Chorliedern und Tanztableaus. Um Atmosphäre geht es, um sinnliche Gestaltung von Alltags- und Berufsleben. Wir sollen ihn wirklich kennenlernen, diesen reichen Bauern samt Familie, Umfeld und historischer Situation, damit wir in der Katastrophe mit ihm fühlen können.

Disparate ästhetische Mittel

Kupfer und sein Dramaturg Norbert Abels haben die Oper um ein gutes Drittel gekürzt. Dennoch kommt ihre Erzählung nicht in Fahrt, was allerdings kaum an der Vorlage liegen dürfte, sondern eher an den disparaten ästhetischen Mitteln, die Harry Kupfer einsetzt. Da steht eine malerische Kirchenruine hinter geborstenen Glocken und vor einem Prospekt mit entlaubten Bäumen vor grauem Himmel. Aber die Sänger spielen kleinteilig psychologisierend und tragen neutrale Uniformen oder Pittoreskes nahe am Russen-Klischee. Und der choreographisch ansatzweise individuell geführte Chor agiert emotionslos, in den Soldatenszenen fast roboterhaft. Dazu macht Kupfer die Polen der Partitur, durchaus zum Unmut des Publikums, zu Deutschen – und lässt sie deutsch singen. So findet die Inszenierung nicht einmal im Schlussakt samt Video-Schneetreiben zu dramatischer Intensität.

Zaghafte Orchesterleistung

Diese Hemmung scheint selbst Sebastian Weigle und das sonst stets hervorragende Frankfurter Opern- und Museumsorchester ergriffen zu haben. Schon die Ouvertüre erklingt merkwürdig zaghaft. Alle Farben sind da, besonders die Holzbläser spielen brillant, aber es fehlt dem Abend auch orchestral an Brio und Dynamik. Auf hohem Niveau singt der Chor, der allerdings auf Deutsch erheblich flacher klingt als in der Originalsprache.

John Tomlinson begeistert als Persönlichkeit mehr denn als Sänger

Der fast 70jährige John Tomlinson ist immer noch eine imposante Bühnenpersönlichkeit mit großer Ausstrahlung, aber sein kantiger Bass ist schartig geworden, hat hörbar an Kontur verloren. Herausragend – und aus dem eigenen Ensemble – besetzt sind dagegen die weiblichen Hauptpartien: Mit silbriger Frische und natürlichem Spiel ist Kateryna Kasper die Tochter Antonida, und Katharina Magiera begeistert das Publikum mit erstaunlich geläufigem, sehr ausdrucksstarkem Alt als Sussanins Adoptivsohn Wanja.

Oper Frankfurt

Michail Glinka: Iwan Sussanin

Sebastian Weigle (Leitung), Harry Kupfer (Inszenierung), Hans Schavernoch (Bühne), Yan Tax (Kostüme), Tilman Michael (Chor), Thomas Reimer (Video), John Tomlinson, Kateryna Kasper, Anton Rositskiy, Katerina Magiera, Chor der Oper Frankfurt, Frankfurter Opern- und Museumsorchester

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