Zwei lange Stunden plätschert dieser Abend richtungslos vor sich hin. Es scheint, als könne sich Regisseur Jens-Daniel Herzog nicht entscheiden, ob er den „Graf von Luxemburg“ nun als nostalgisch aufgebrezelte Unterhaltungsshow servieren oder ihn dezidiert von heute betrachten will. So wirken viele Details, viele an sich klug und zündend gedachte Handlungselemente unscharf angedeutet, verärgern die unreflektiert eingesetzten Klischees, verpuffen die klug ausgedachten, aber oft ohne die nötige Sorgfalt hingesetzten Slapstick-Elemente zumindest teilweise. Besonders die skurrile Hochzeit, zu der der Graf mit Geld gebracht wird, die ihn am Tiefpunkt zeigt und zum Wendepunkt seines Lebens wird, wirkt hier, auch durch die Platzierung auf dem stillen Örtchen, unzulässig profanisiert und verkleinert. Es fehlt deutlich an jener zugespitzten Ironie, ohne die die beiden Komponenten von Lehárs Unterhaltungstheater – das weit ausschwingende romantische Sentiment und der vor Fröhlichkeit berstende, elegante Party-Spaß – nicht zusammen kommen.
Das romantische Sentiment tönt sachlich
Dazu tönt es arg sachlich aus dem Graben, obwohl Lukas Beikircher am Pult spürbar um Subtilität bemüht ist. Zu Beginn stimmt zusätzlich die Klangbalance nicht. In der ersten halben Stunde versteht man kaum ein Wort. Und den Stimmen fehlt es, abgesehen von der fast als Idealbesetzung zu bezeichnenden Juliette von Lavinia Dames, sämtlich an jener verführerischen Brillanz und sinnlichen Leichtigkeit, die allgemein mit „Schmelz“ bezeichnet wird.
Bo Skovhus wagt augenzwinkernd wagnernden Monolog
Dann, ausgerechnet nachdem der Abend mit einer grobschlächtig choreographierten, zotigen Ballett-Parodie seinen Niveau-Tiefpunkt erreicht hat, reißt Bo Skovhus in der Titelrolle mit einem augenzwinkernd wagnernden Monolog das Publikum aus der Spaß-Lethargie. Mit großer Musikalität und noch mehr Energie wirft er den gewaltigen Konflikt einer richtungslosen Existenz mit Ich und Welt in den Raum. Plötzlich wirkt die quietschbunte Theater-im Theater-Welt um ihn herum nicht mehr abgestanden, sondern lebensfroh. Der Umbau zum dritten Akt erfolgt offen, temporeich und ironisch. Der Schauspieler Oliver Breite als Hotelmanager überrascht mit einem kabarettistischen Monolog in bester Frosch-Tradition, der sich aus der sicheren Festung des Herrenwitzes jedoch bewusst herauswagt, und Susan MacLean gibt brillant das Couplet der Gräfin Kokozowa zum Besten, dessen Text überhaupt nicht alt geworden ist, zumal die Düsseldorfer Produktion ihn um zwei neue Strophen – über den Klimawandel und, zum Jubel des Publikums, über den neuen amerikanischen Präsidenten – ergänzt hat.
Herrlich restsüße Töne
Jetzt macht es auch nichts mehr, dass Juliane Banse und Bo Skovhus – sie 20, er fast 30 Jahre auf den großen Bühnen der Welt unterwegs, beide sind tolle Schauspieler – ihre Partien musikalisch hauptsächlich mit Kraft und Technik bewältigen. Jetzt überwältigen sie mit Charme, Körperspiel, prickelnder Beziehungschemie – und entspannten, herrlich restsüßen Tönen. Herzog steuert noch eine der Musik abgelauschte Maschinengewehr-Massaker-Vision bei, vor der das liebende Paar durch ein Engelchen geschützt wird, bis alle wieder aufstehen. Die drei Paare treten an die Rampe. Jubel. Wunderbar schmissige Zugabe. Mehr Jubel. Aber warum mit so viel Anlauf?
Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf
Lehár: Der Graf von Luxemburg
Ausführende:
Lukas Beikircher (Leitung)
Jens-Daniel Herzog (Regie)
Mathis Neidhart (Bühne)
Sibylle Gädeke (Kostüme)
Christoph Kurig (Chor)
Kati Farkas (Choreografie)
Bo Skovhus (René Graf von Luxemburg)
Juliane Banse (Angèle Didier)
Cornel Frey (Armand Brissard)
Lavinia Dames (Juliette Vermont)
Bruce Rankin (Fürst Basil Basilowitsch)
Susan Maclean (Gräfin Stasa Kokozowa)
Luis Fernando Piedra (Pawel von Pawlowitsch)
David Jerusalem (Sergei Mentschikoff)
Karl Walter Sprungala (Pélégrin)
Oliver Breite (Der Ménager)
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker