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Opern-Kritik: Hamburgische Staatsoper – I Lombardi alla prima Crociata

Oberammergau in der Oper

(Hamburg, 10.11.2013) Mit Verdis Kreuzfahreroper beenden Simone Young und David Alden ihre Trilogie früher Verdi-Opern

vonPeter Krause,

Es gibt einen richtig starken Moment in dieser Inszenierung an der Staatsoper Hamburg: Ein im Frack gekleideter, ansehnlich adretter junger Violinvirtuose tritt vor den alten roten Vorhang, der uns auch in Teil 3 der Verdi-Trilogie daran erinnern soll, dass dieser Abend in der zerstörten Mailänder Scala spielt. Mit zart-süßem Edelton spielt der Geiger Konradin Seitzer – der exquisite Konzertmeister der Philharmoniker Hamburg heimst am Ende den mit Abstand größten Applaus ein – eine furiose Nummer, die so klingt, als stamme sie aus der Feder des romantischen Megamaestro Paganini. Da schaltet die Oper für ein paar entrückte Minuten ganz auf Heile-Welt-Modus. Wir lauschen verzückt und lehnen uns zurück. Doch dann geht der Vorhang auf und wir erblicken das ganze Elend der ermatteten Kreuzfahrer, die ohne Wasserreserven vor Jerusalem liegen. Ein Irritationsmoment: Der Strahlemann-Geiger und die Erbarm-Dich-Choristen treffen aufeinander. Die Attitüde des einen und der Pathos der anderen brechen sich gegenseitig. Da entsteht auf einmal Musik-Theater.

Hätte David Alden konsequent mit solchen Ansätzen gearbeitet, wäre der Abend fraglos zu retten gewesen. Er hätte ein gewitztes Spiel zwischen historischer Erzählebene, Theaterrealität und Gegenwart wagen können, um Verdis jugendlich kraftvoll roher Partitur und dem allzu patriotischen Überschwang des Librettos einen augenzwinkernder Widerhaken beizufügen. Nur führt der Regisseur, der in der Ära Peter Jonas einst zu den frechen Hauptverantwortlichen der Münchner Händel-Renaissance zählte, diese Idee nicht aus. Haben die kurzen Probenzeiten das nicht hergegeben?

Wenn sich die Kreuzfahrer in ihren Plastikbrustpanzern aus der Opernmottenkiste mit einer extra übertriebenen Inbrunst bekreuzigen und die Hände meterhoch gen Himmel strecken, so als wollten sie Oberammergau Lichtjahre weit in den Schatten stellen, dann kann das zwar eigentlich nur ironisch gemeint sein. Es ist nur leider nicht wirklich witzig, sondern nur am Rande des Lächerlichen angesiedelt, weil schlichtweg dilettantisch gearbeitet. Die Orientklischees schwarz verschleierter Musliminen, die ein kesses Tänzchen hinlegen, führen nicht zum Schmunzeln, sondern zum Fremdschämen. Und die Reste von Personenregie, die Alden verwertet, führen eher zu unfreiwilliger Komik. Ob dahinter Zufälle, Absichten oder Unvermögen steckt, ist schwer zu beurteilen. Hamburgs Premierenbesucher kaufen Alden diese Provinz-Show jedenfalls für bare Münze ab, kein Buh trübt seinen Auftritt beim Schluss-Applaus.

Kann die Musik aber retten, wo die Regie nicht zu retten ist? Nur bedingt. Wie schon bei beiden vorangegangenen Abenden ist Simone Young am Pult ihrer Philharmoniker viel Freude am prall knalligen Effekt der Partitur anzumerken. Sie nimmt die Verdi-Schmissigkeit beim Wort und versucht sie gleichwohl mit einer Prise Feinzeichnung abzufedern. Nicht schlecht. Die Sänger schlagen sich immerhin achtbar. Die bereits hochgelobte Elza van den Heever als Giselda kommt mit ihrem ausgesprochen hübschen, aber etwas jungfräulich flachen und nicht sonderlich modulationsreichen Sopran in den dramatischen Ausbrüchen an ihre Grenzen, beglückt dafür in den Koloraturen und im Lyrischen. John Relyea ist ein bass-baritonal viriler Pagano-Bösewicht, der es im erotischen Schillern und in Sachen Resonanzreichtum mit einem Samuel Ramey, Bryn Terfel oder Michele Pertusi freilich noch lange nicht aufnehmen kann. Direkt ins hörende Herz singt sich dafür Dimitri Pittas als sich vom Muselmann zum Christen bekehrender Liebhaber Oronte: Sein Alfredo-Tenor hat Schmelz und Leichtigkeit – ein Hoffnungsträger.    

Hamburische Staatsoper

Verdi: I Lombardi alla prima Crociata

 

Ausführende: Simone Young (Leitung), David Alden (Inszenierung), Charles Edward (Bühnenbild), Brigitte Reiffenstuel (Kostüme), Elza van den Heever, Cristina Damian, John Relyea, Dimitri Pittas, Massimiliano Pisapia, Philharmoniker Hamburg, Chor der Staatsoper Hamburg

Termine: 17.11., 18:00 Uhr; 22./28.11., 19:30 Uhr

 

Lesen Sie auch unsere Kritiken zu den anderen Verdi-Trilogie-Teilen La battaglia di Legnano und I due foscari!

Weitere Termine der Hamburgischen Staatsoper finden Sie hier.

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