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Opern-Kritik: Oper Frankfurt – Der Prinz von Homburg

Traumspiel

(Frankfurt am Main, 22.9.2024) Hans Werner Henzes Kleist-Oper „Der Prinz von Homburg“ situiert Regisseur Jens-Daniel Herzog abseits konkreter preußischer Historie als Versuchsanordnung.

vonMichael Kaminski,

Der prinzliche Kavalleriegeneral liegt im Traum: Dort erficht er den Schlachtensieg anstelle des Großen Kurfürsten. Träumend versichert er sich der Hand Natalies. Dem, was an Friedrich von Homburg militärisch heißen kann, eignet etwas ganz und gar Unwirkliches, Schwebendes. Seine Heldentaten erweisen sich nicht als krankes Hirngespinst, wohl aber als schöpferische Phantasmagorie. Ein Traumgebilde scheint auch Natalie, die Freundin der Handschuherotik und zugleich nicht nur Ehrenobristin ihres Regiments, sondern dessen bis hin zur gewaltsamen Befreiung des Prinzen risikofreudige Kommandeurin.

Gar zu traumhaft zeigen sich solche Geschehen, um wirklich und wahrhaftig in die Welt der Wachen zu gehören. Analysescharf situiert daher Regisseur Jens-Daniel Herzog Hans Werner Henzes Oper auf einer Ebene, die den Gedanken an konkrete Historie, preußische zumal, erst gar nicht aufkommen lässt. Wohl aber den an eine Versuchsanordnung. Die Experimentatoren, an ihrer Spitze der Große Kurfürst, werden freilich vom Unterbewusstsein des schlafenden Probanden bemerkt und in seinen Traum eingebaut. Mit lebensgefährlichen Folgen. Die Versuchsanordnung führt den Prinzen bis ans offene Grab, wo der Traum ein Nachtmahr zu werden droht.

Szenenbild aus „Der Prinz von Homburg“
Szenenbild aus „Der Prinz von Homburg“

Minimalismus

Alles dies darf schlüssig und nachvollziehbar genannt werden, doch fehlt die letzte Dringlichkeit. Des Homburgers Entsetzen vor der ausgehobenen Gruft, die blanke Todespein, sie driften fortschreitend in Richtung Unverbindlichkeit. Final noch unterstrichen, wenn Großer Kurfürst, Hofstaat und selbst Nathalie der Scheinhinrichtung des Homburgers in biedermeierlicher Gemütlichkeit beiwohnen.  Wie die Regie, so nicht minder Johannes Schütz‘ Bühne. Für den ersten Eindruck gibt sich die über dem Durchmesser der riesigen Frankfurter Drehscheibe errichtete Wand als Hingucker.

Der zweite wird davon bestimmt, wie oft in der Geschichte des Hauses Bühnenbildner die beiden abwechselnden Optionen auf enormen Tiefenzug und Breitwandformat ganz ähnlich nutzten. Zumal Joachim Kleins Licht für wenig Aufregung sorgt. Auch sonst herrscht Kargheit, ohne dass sich klinische Laboratoriumsatmosphäre einstellen würde. Traumhaft hingegen die Gewandung, mit der Schütz als sein eigener Ausstatter die Personnage bedenkt. Wie sich militärisch Uniformes der Kleistzeit mit heutiger Montur mischt, beweist zielsichere ars combinatoria samt bisweilen parodistischem Einschlag.

Szenenbild aus „Der Prinz von Homburg“
Szenenbild aus „Der Prinz von Homburg“

Erlesene Nachkriegsmoderne

Musikalisch lassen sich die Frankfurter hochkarätig vernehmen. Takeshi Moriuchi beweist mit dem Opern- und Museumsorchester gleichermaßen dramatische Verve, kristalline Durchhörbarkeit und kammermusikalische Finesse. Domen Križaj verkörpert sanglich und spielerisch die luzide Traumwelt, in der die Titelfigur lebt und webt. Magdalena Hinterdobler kostet die kampfesmutigen Exaltationen Nathalies aus, um mit stupender Sicherheit vokale Stratosphären zu durcheilen. Den Großen Kurfürsten verkörpert tenoral mächtig auftrumpfend Yves Saelens. Rollenadäquat erstarrt Annette Schönmüllers Kurfürstin zur Maschine höfischer Konvention.  

Oper Frankfurt
Henze: Der Prinz von Homburg

Takeshi Moriuchi (Leitung), Jens-Daniel Herzog (Regie), Johannes Schütz (Bühne und Kostüme), Wicke Naujoks (Kostümmitarbeit) Joachim Klein (Licht), Domen Križaj, Yves Saelens, Magdalena Hinterdobler, Magnus Dietrich, Annette Schönmüller, Iain MacNeil, Sebastian Geyer,Andrew Kim, Božidar Smiljanić, Alfred Reiter, Jarrett Porter, Juanita Lascarro, Cecilia Hall, Judita Nagyová, Istvan Balota, Leon Tchakachow, Frankfurter Opern- und Museumsorchester






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