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Oper im Kino: Filmbiografie „Maria“ über Maria Callas

Sie lebte für die Kunst

Angelina Jolie mimt die legendäre Maria Callas. Die Film-Biografie „Maria“ von Regisseur Pablo Larraín ist ein großer Wurf.

vonPeter Krause,

Eine große Diva des Kinos spielt die größte Diva der Oper. Angelina Jolie mimt Maria Callas. Also eine Opernsängerin, die so einzigartig war, dass jeder Versuch, sie zu imitieren, zum Scheitern verurteilt ist. Dies gilt zumal für junge Sopranistinnen, die ihre Stimme abdunkeln, um so dem Tränenton einer Tragödin namens Maria nahezukommen, die in ihrer sängerdarstellerischen Anverwandlung von Bellinis Norma oder Puccinis Tosca einen Grad der Identifikation erreichte, in dem Kunst und Leben sich auf packende Weise nahekamen. In ihrem Streben nach absoluter Perfektion war die Schönheit ihres Singens nie Belcanto-Selbstzweck, sondern nur Mittel, um dem wahren Wesen dieser großen Frauenfiguren nachzuspüren.

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So wenig sich La Callas in vokaler Hinsicht nachahmen lässt, so wenig scheint es möglich, eine Persönlichkeit von ihrem Charisma einer Primadonna assoluta zu „spielen“: Da wirkt das Original so erdrückend, so übermenschlich groß. Doch wenn nun Angelina Jolie zur filmischen Maria Callas mutiert, werden allfällige Zweifel bald weggewischt. Und Fragen nach der äußerlichen Ähnlichkeit zwischen der amerikanischen Schauspielerin und der griechisch-amerikanischen Sängerin nur mehr sekundär: Nein, die Maske hat Jolie keine charakteristische Callas-Nase verordnet. Und die schmalen Lippen der Sopranistin sind durch die üppigen ihres filmischen Pendants kaum wiedererkennbar. Doch sonst kommt Jolie der Callas erstaunlich nah: Die braune Haarpracht, die der Schönheit der Opernikone nur bedingt zuträgliche Hornbrille, die ausdrucksintensive Gestik und Mimik – in der sensibel austarierten Mischung aus äußeren Zeichen und innerlicher (Nach-)Zeichnung der Portraitierten ist die Schauspielerin eine Meisterin, der Regisseur Pablo Larraín in seiner Klischees meidenden psychologischen Feinzeichnung und Kameramann Edward Lachman mit mutigen Close-ups zu maximaler Wirkungsmacht verhelfen.

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Intensiv in Ausdruck und Mimik: Angelia Jolie als Maria Callas
Intensiv in Ausdruck und Mimik: Angelia Jolie als Maria Callas

Geniale Mischung aus Fiktion, Biografie und Selbstinszenierung

Die Dramaturgie des Films wird entscheidend durch Sofia Subercaseaux geprägt, deren kunstvoller Schnitt so ganz die atemlose Schnelligkeit Hollywoods meidet. Schließlich ist große Oper langsam, ruhig und episch: weit weniger real denn artifiziell. Und so nehmen sich – zumal im mit nobler Üppigkeit ausgestatteten Pariser Appartement der Callas – die langen Bildsequenzen aus wie niemals enden wollende Opernarien. Wenn das gesungene Sterben in der Oper ein Vorschein der Ewigkeit ist, nimmt sich auch der Film Zeit und zitiert die großen Arien der Callas nicht als atmosphärische Sekundenschnipsel, sondern als Inseln des authentisch ausgebreiteten Gefühls, in denen die Callas greifbar und lebendig wird.

Genialisch mischen sich dabei (Bühnen-)Fiktion, Biografik und Selbstinszenierung. Die Rückblenden aus den letzten Lebenstagen der nur 53-jährigen Callas – an denen sie trotz Tablettenabhängigkeit, Herzkrankheit und schwindender Stimmkontrolle an einem Comeback arbeitet – in die Blütezeiten des Bühnenruhms setzen die Filmemacher in ein historisierendes Schwarz-Weiß. So fängt der Film die Widersprüche der Sängerin berührend ein: jene zwischen Gewesenem und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit, Kunst und Leben. Und damit stellt er die zentrale Frage nach der eigentlichen Identität einer Frau, die ihr Leben der Kunst weihte. Nicht jede Zeile der starken und glaubwürdigen Dialoge mag penibel belegbar sein. Wer die präzise Recherche schätzt, dem sei „The Callas Imprint – A Centennial Biography“ empfohlen. Zwölf Jahre lang hat die in London lebende Schriftstellerin Sophia Lambton Archive befragt, unveröffentlichte Briefe aufgestöbert, Gespräche mit Zeitgenossen geführt und kommt so ihrem Idol jenseits der Mythenbildung enorm nah.

Kino-Tipp:

Maria

Mit Angelina Jolie, Haluk Bilginer, Valeria Gollino, Pierfrancesco Favino, Stephen Ashfield, Vincent Macaigne, Kodi Smit-McPhee u. a.
Pablo Larrain (Regie)

ab 6.2.2025 im Kino

Buch-Tipp

The Callas Imprint – A Centennial Biography

Sophia Lambton

The Crepuscular Press
676 Seiten
ca. 25 Euro

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