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Operetten-Tipps im Winter 2023/2024

Prinzen und Pappenheimer

Als beliebteste Operettenzeit bietet der Jahreswechsel eine bunte, spannende Repertoireauswahl – auch jenseits von „Fledermaus“ und „Lustiger Witwe“.

vonAndré Sperber,

Obwohl die Tendenz zum Revival der früher oft als minderwertig verschmähten Operette schon seit Längerem aus den Spielplänen herauszulesen ist, hält sich die Vielfalt des Repertoires meist noch in Grenzen. Der Jahreswechsel, ohnehin die beliebteste Operettenzeit, gibt da Hoffnung auf Besserung, denn er hält spannende, selten gehörte Alternativen von weniger ­bekannten Komponisten parat. Der Österreicher Carl Millöcker etwa – der übrigens bittererweise am 31. Dezember 1899 zu Tode kam – gehörte einst gemeinsam mit Johann Strauss und Franz von Suppè zum großen Dreigestirn der klassischen Wiener Operette, von denen er zeitlebens über zwanzig komponierte. Heute kennt man ihn und sein Werk hierzulande kaum noch. Nachdem sich jedoch gerade erst im vergangenen Sommer die Seebühne Kriebstein an eine Inszenierung von „Der Bettelstudent“ heranwagte, ist in Flensburg nun eine weitere Millöcker-Rarität zu erleben: „Der arme Jonathan“ erzählt die Geschichte eines ewigen Pechvogels und eines Millionärs, die, ihres Daseins überdrüssig, ihre Lebensstile tauschen. Verblüffend modern ist hierbei unter anderem Millöckers Instrumentierung, die er um Teller, Messingblech und einen Telegrafen­apparat erweitert.

Zwei weitere Großmeister, jedoch nicht der Wiener, sondern der Berliner Operette, finden sich in Hof und Annaberg-Bucholz ein: Große Gefühle weckt am Theater Hof die Liebes­geschichte „Wie einst im Mai“ von Walter Kollo, Groß­vater des berühmten Wagner-Tenors ­René Kollo. Das Werk wurde in seiner Urfassung erstmals 1913 aufgeführt. Walter Kollos Sohn Willi wiederum überarbeitete die Operette 1943 gemeinsam mit dem Kabarettisten Walter Lieck. In Hof wird letztere Neufassung zu hören sein.

Wie der Vater, so der Sohn

Willi Kollo (also Walters Sohn und Renés Vater) schuf auch das Libretto zu Hugo Hirschs Operette „Der Fürst von Pappen­heim“, die dieser Tage am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz auf die Bretter geht. Das unkonventionelle Werk, das auf spaßige Weise die Rettung eines heruntergewirtschafteten Modesalons mittels gewieft-gewitzter Geschäftsideen erzählt, verschaffte seinem Schöpfer 1923 einen großen Durchbruch und wurde gleich zweimal verfilmt.

Doch ein wenig bekannter als die bisherigen und zumindest gelegentlich auf einem Programmzettel zu finden ist Eduard Künneke, wenngleich seine 1930 uraufgeführte Operette „Der Tenor der Herzogin“ wiederum zu den Kenner­stücken gehört: Herzoginwitwe Ernestine sucht gegen gute Bezahlung einen ledigen Sänger zur Beschallung und anderweitiger ­Bespaßung bei Hofe. Der erfolglose Operntenor Rudolf steckt in Geldnöten und wittert seine Chance – doch er hat Frau und Kind. In Chemnitz überführt Regisseurin Anna Weber den erstaunlich aktuellen Wie-weit-würdest-du-gehen-Stoff ins Hier und Jetzt.

Mehr als bloß seichte Unterhaltung

Ein weiterer Operettenschatz wird am Theater Regensburg gehoben: „Der Prinz von Schiras“, das erste Bühnenwerk des österreichisch-ungarischen Komponisten Joseph Beer geriet wie die Werke so vieler Operettenkomponisten mit dem Aufführungsverbot durch die National­sozialisten in Vergessenheit und kehrt nun erstmals nach neunzig Jahren als deutsche Erstaufführung auf die Bühne zurück. Werke wie diese beweisen, dass Operette deutlich mehr sein kann als bloß säuselnde Schnulzen, volksnahe Bespaßung und seichte Unterhaltung – dafür gibt’s ja schließlich Musicals – oder?

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