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Opern-Kritik: Bayerische Staatsoper – Die Liebe der Danae

Abendrot ganz ohne sanftes Glühen

(München, 7.2.2025) Während sich Claus Guth ohne größeres Interesse am Werk in die gehobene Regie-Routine rettet, desavouiert Sebastian Weigle am Pult des Bayerischen Staatsorchesters das ätherische Spätwerk des Richard Strauss zur lärmenden Theatermusik.

vonPeter Krause,

Musik, die im Abendrot geschrieben ist, muss glühen, sanft schimmern und am Ende im „morendo“ womöglich gar ätherisch verglühen, darin freilich bereits den Vorschein der Morgenröte verströmen. Dieses sanft sensualistische Strömen sollte der Erkenntnis folgen, dass nach der Götterdämmerung doch auch die Utopie eines Neuanfangs aufscheint. Darin gern versehen mit all den aufklärerischen Fragezeichen des dialektischen Denkens, aber doch eben auch im naiven Glauben an das „Lied überm Staub danach“, wie die große depressive Dichterin Ingeborg Bachmann wusste.

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Und wie Richard Strauss am eigenen Lebensabend spürte, der zusammenfiel mit dem Untergang Deutschlands, in den hinein er zu Kriegsbeginn „Die Liebe der Danae“ schrieb: altersweise, melancholisch weinend und doch auch mit dem Lächeln des Greises, der ahnte, dass aus den selbst verschuldeten Ruinen seiner Heimat, dem Zivilisationsbruch des Faschismus trotz allem wieder so etwas wie ein kultiviertes Gemeinwesen entstehen könnte.

Ach, wie könnte das Bayerische Staatsorchester – eines der besten Opernorchester der Republik, wenn nicht das beste – von alledem künden, wenn womöglich mal wieder ein Kirill Petrenko am Pult stünde? Dabei sehr wohl die Partitur hinterfragend, aber sie dann im Kern ihrer humanistischen Botschaft doch auch beim Wort nehmend. Nichts dergleichen in der jetzigen Premiere der Bayerischen Staatsoper, zu der nicht Petrenkos Nachfolger Vladimir Jurowski am Pult stand, sondern als Gastdirigent Sebastian Weigle, der zumal als GMD in Frankfurt am Main bis 2023 immer wieder bewiesen hatte, dass er ein höchst kundiger Strauss-Experte sein kann.

Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“
Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“

Ein musikalisches Konzept der Vermeidung: Lärmen statt Schwärmen

Kaum etwas davon war nun zur Münchner Premiere der fraglos vertrackten „Liebe der Danae“ zu spüren. Lärmend laut tönt das Orchester in den ersten beiden Aufzügen, ohne agogisches Atmen, geschweige denn Schwelgen, stets nur atemlos vorwärtsdrängend und die Phrasierung, die Gestik, das leitmotivische Geflecht missachtend, auf dass denn nur tunlichst kein Sentiment und bitte auf keinen Fall Kitsch aufkommen möge. Diese Haltung der Vermeidung des Verpönten mag edel und klug gemeint sein, denn natürlich muss ein später Strauss heute nicht triefen.

Doch wer ihn so ausdrücklich unterläuft, ja dekonstruiert, der sublimiert das Sentiment eben leider auch nicht zum wahrhaftigen Gefühl, sondern lässt die Partitur in ihre bloßen Bestandteile zerfallen: hier die Wiederkehr Richard Wagners mit den musikalischen, aber auch textlichen Anleihen zumal aus dem „Ring“ (das Gold ist ja auch in „Die Liebe der Danae“ die zentrale Metapher für Macht und Reichtum), da ein Aufguss aus „Die Frau ohne Schatten“ mit der Idee der inneren Verwandlung, die Danae so sehr erfährt wie Kaiserin und Färbersfrau in jenem großen kühnen Menschheitsmärchen. Nur hört man in München von der Magie der Transformation eben nichts: Da werden Übergänge holzschnittartig übergangen, nichts atmet, nichts blüht, obwohl ja sogar der Text von Joseph Gregor mit seinen Motiven des Hugo von Hofmannsthal davon so einiges zu wissen vorgibt. Welch‘ eine große musikalische Enttäuschung.

Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“
Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“

Manuela Uhl als Last Minute-Sensationsersatz in der Titelpartie

Zu letzterer und damit überhaupt zur Premiere wäre es indes fast nicht gekommen. Denn mit Malin Byström fiel die Sängerin der Titelpartie einen Tag vor der Premiere durch eine böse Bronchitis aus. Nun stand aber das selten gespielte Spätwerk des Richard Strauss über mehrere Jahre nicht mehr auf dem Spielplan eines größeren deutschen Opernhauses. Der Ersatz einer Einspringerin war kaum zu finden. Manuela Uhl gehört zu den letzten verfügbaren Sopranistinnen, die noch die Titelpartie beherrschen. Sie sang sie zunächst vor nunmehr 20 Jahren in Kiel, dann zuletzt an der Deutschen Oper Berlin.

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Zum Glück beherrscht sie die Partie weiterhin (wenngleich heute nicht mehr mit den makellos mädchenhaft Silbertönen von früher) und fand sich sogar nach einer nur kurzen Einweisung am Premierentag szenisch bewunderungswürdig genau in die Regie von Claus Guth hinein: Die souveräne Sopranistin macht an diesem Abend berührend deutlich, wie sich das in Pralinenpapier eingewickelte, verwöhnte Material Girl aus einst reichem Hause von Papa Pollux (Vincent Wolfsteiner als heldentenoral geifernder Trump-Verschnitt), das nun durch passende Heirat die familiäre Finanzmisere überwinden soll, zum wahre Werte hoch haltenden weisen Weib entwickelt. Das Premierenpublikum bejubelt sie denn auch für diesen Sensationseinsatz, schwache Nerven scheint die Dame nicht zu kennen.

Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“
Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“

Magischer Realismus im Trump Tower

Für die „Heitere Mythologie“, die es kurz vor Kriegsende bei den Salzburger Festspielen nur bis zur Generalprobe schaffte und die es erst nach dem Tode von Richard Strauss zur eigentlichen Uraufführung gelangte, wählt Claus Guth einen realistischen Zugriff: Michael Levine hat ihm dazu eine Büroetage in einem New Yorker Hochhaus mit Blick auf die gegenüberliegenden Wolkenkratzer auf die Bühne des Nationaltheaters gewuchtet. Hier herrscht Pollux im entmenschlichten Spätkapitalismus über ein Heer von Angestellten, wird freilich bereits von Gläubigern heimgesucht, die bereits das Interieur ausräumen.

Dies hat den Vorteil, dass der Innenraum im zweiten Akt flugs zum Schlafzimmer der von Obergott Jupiter wie von dessen Assistenten Midas, eigentlich ein armer Eseltreiber, begehrten Danae umgewidmet werden kann. Auf dem durch den mächtigen Jupiter beschafften riesigen goldenen Bett kommt es zur Entscheidung: Danae wählt Midas. Der nun traurige Gott muss wie weiland Wotan abdanken, zieht als resignierender Wanderer durch die Welt, ist freilich bereit, dem jungen Nebenbuhler den Weg zu Danae zu ebnen. Dazu zieht dann doch ein wenig Märchenzauber ins Geschehen ein. Ganz ohne Goldregen und ohne die zunächst durch Midas‘ Berührung zu Gold erstarrte Danae geht es eben doch nicht. Magischer Realismus.

Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“
Szenenbild aus „Die Liebe der Danae“

Seltene musikalische Freiheitsmomente einer neuen Welt

So bringt Claus Guth die Ebenen von der griechischen Mythologie, über die germanisch Wagnerschen Umdeutungen von Strauss (der gewitzte Merkur, Tenor Ya-Chung Huang, erscheint als Wiedergeburt des Loge aus „Das Rheingold“), die Entstehungszeit des Stücks mit ihrem grausigen Werteverfall bis in die politischen wie gesellschaftlichen Gefahren der Gegenwart durchaus galant zusammen. Humorvoll ist das alles nur bedingt, einigen szenischen Witz entfaltet immerhin das famose Quartett der vier verblichenen Affären Jupiters: Sarah Dufresne, Evgeniya Sotnikova, Emily Sierra und Avery Amereau sind auch musikalisch auf den Punkt präsent als Semele, Europa, Alkmene und Leda. Ansonsten ist viel gehobene Regie-Routine zu besichtigen, alles ist handwerklich sauber gearbeitet.

Eine Identifikation mit dem Werk ist beim Regisseur so wenig zu spüren wie beim Dirigenten. So hält man sich an die an der Bayerischen Staatsoper zu erwartende sängerische Exzellenz: Andreas Schager scheint den Ausflug von seinen multiplen Einsätzen als Tristan und Siegfried zu genießen, gibt seinem Midas viel unbedarften Charme eines Naturburschen. Stimmlich die Krone des Abends gebührt indes Christopher Maltman, der als Jupiter testet, wie weit es ihn nun auch als Wagners Wotan tragen kann. Wortklar, ohne heldenbaritonale Stimmprotzerei gewinnt er dem griechischen Gott durchaus auch anrührende Seiten ab. Der weite Atem seines Gesangs eröffnet dann im Schlussakt und seinem utopischen Vorschein sogar musikalisch jene Freiheitsmomente einer neuen Welt, die uns Sebastian Weigle und das Orchester vorenthalten.        

Bayerische Staatsoper München
R. Strauss: Die Liebe der Danae

Sebastian Weigle (Leitung), Claus Guth (Regie), Michael Levine (Bühne), Ursula Kudrna (Kostüme), Alessandro Carletti (Licht), rocafilm (Film), Yvonne Gebauer & Ariane Bliss (Dramaturgie), Christoph Heil (Chor), Christopher Maltman, Ya-Chung Huang, Vincent Wolfsteiner, Erika Baikoff, Andreas Schager, Bálint Szabó, Kevin Conners, Paul Kaufmann, Martin Snell, Sarah Dufresne, Evgeniya Sotnikova, Emily Sierra, Avery Amereau, Chor der Bayerischen Staatsopernchor, Bayerisches Staatsorchester





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