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Opern-Kritik: Oldenburgisches Staatstheater – Xerxes

Bilder seiner Ausstellung

(Oldenburg, 7.12.2024): Am Oldenburgischen Staatstheater macht Regisseur Kay Link Händels „Xerxes“ zu einem Museumsrundgang durch das Liebesleben des exzentrischen Herrschers. In der Titelrolle beherrscht Mayaan Licht vor allem darstellerisch die Bühne.

vonPatrick Erb,

Ob Zwerg oder Kükenballett, altes Schloss oder die Tuilerien: Die vertonten Gemälde aus Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ erzählen reale und fiktive Geschichten. Sie skizzieren Orte und illustrieren Ereignisse, geben aber auch Einblick in den Geschmack des Sammlers Wiktor Hartmann, mit dem Mussorgski befreundet war und in dessen Besitz sich über vierhundert Gemälde befanden. Das Leben durch Gemälde zu beschreiben, macht dagegen Kay Link für seine Inszenierung von „Xerxes“ zum Leitmotiv. Am Staatstheater Oldenburg wird Serse zur Herrscherfigur, zum Kunstsinnigen und zum Liebhaber zugleich – ein Exzentriker, der durch seine Galerie zum Kurator seines eigenen Lebens wird. Dieses imaginäre Museum präsentiert in bildhistorischer Selbstvergewisserung Seeschlachten und Herrscherporträts; wechselnde Ausstellungsstücke greifen dabei die wechselnden Stimmungen auf.

Szenenbild aus „Xerxes“
Szenenbild aus „Xerxes“

Maayan Licht verkörpert den, selbst für Händels Verhältnisse, affektreichen Perserkönig mit einer sängerdarstellerischen Perfektion, die ihresgleichen sucht. Licht amalgamiert sonore, anschwellende Legatobögen mit butterweichen Koloraturen. Besonders beeindruckend ist seine Fähigkeit, in schnellen Wechseln Selbstverliebtheit, Neid, Gier oder Grandezza mimisch wie stimmlich darzustellen. Am Premierenabend wäre lediglich in der Dynamik noch Luft nach oben gewesen.

Nachts im Museum

Doch was tun Freunde, Geliebte, Widersacher und das Volk, während Serse seine weltberühmte Platane besingt, Liebespläne schmiedet oder einfach nur an sich selbst verzweifelt? Nun: sie unterhalten. Denn Händels „Xerxes“ ist Tragödie und Komödie zugleich. Es erlaubt viel Überschwängliches und benötigt dies sogar, denn die Verstrickungen im barocken Liebes- und Verkleidungsspiel sind unverständlich wie zäh, die Namensflut ist ermüdend. Kay Link spielt hier die gesamte Klaviatur des Slapsticks aus. Seine Figuren bevölkern als Personal und – in Anlehnung an den Kino-Hit „Nachts im Museum“ – als erwachte Requisiten das Museum. Ein Besucher klebt sich gar an ein Gemälde.

Szenenbild aus „Xerxes“
Szenenbild aus „Xerxes“

So gerät etwa der intriganten Atalanta (dynamisch gewaltig: Penelope Kendros) als Museumsdirektorin ein Eiswürfel ihres Drinks in den Ausschnitt, was zu unerwartet flüssigen Koloraturen führt. Elviro (ungewöhnlich weich und farbig: Bass Seungweon Lee) übernimmt als Nachtwächter die klassische Rolle des Boten und – ironisch überhöht – eines verkleideten Blumenmädchens. Herausragend ist Stephanie Hershaw als Romilda: Ihr likörveredelter Sopran reicht mühelos bis in die Altlage, und sie trotzt den verweichlichten Männern spielerisch und stimmlich. Irakli Atanelishvili als Truppenführer Ariodate und Anna Dowsley als Bruder des Serse sind die sängerisch egalitäre, wenn auch schauspielerisch nicht ebenbürtige Besetzung.

Interpretation mit offenen Fragen

In seiner Deutung des Stoffs geht Link indes noch weiter. Er nutzt die Ouvertüre geschickt, um mit einem Prolog das Verhältnis der Brüder Serse und Arsamene in den Jugendtagen zu ergründen. Gleichzeitig deutet er den späteren König als queeren Charakter mit musischen Vorlieben. Warum jedoch Amestris zum Mann umgedeutet wird, bleibt unklar. Auch der Verweis auf die gewiss interessante, erste jemals gesendete Rundfunkübertragung mit „Ombra mai fu“ wirkt anekdotisch und ohne Bezug zu den historischen Figuren oder dem Museumspersonal.

Szenenbild aus „Xerxes“
Szenenbild aus „Xerxes“

Musikalische Akzente

Viel dramatisch eng getakteter Stoff also, der musikalisch in feste Bahnen geleitet werden muss. Thomas Bönisch, Chorchef des Hauses und Dirigent am Abend, setzt hierfür musikalisch auf scharfe Akzente und ein zügiges Tempo. Er verzichtet bewusst auf eine lyrisch ausformulierte Lesart, um Wechsel zwischen Arien und Rezitativen cineastisch zu gestalten. Das Oldenburgische Staatsorchester meistert dies souverän. Insgesamt gelingt ein unterhaltsamer, musikalisch beeindruckender Abend. Fraglich bleibt jedoch, ob die in Teilen löchrige Inszenierung auch ohne Maayan Lichts darstellerische Glanzleistung Bestand hätte.

Oldenburgisches Staatstheater
Händel: Xerxes

Thomas Bönisch (Leitung), Kay Link (Regie), Olga von Wahl (Ausstattung), Philipp Sonnhoff (Licht), Nikolai Schröder (Video), Antje Müller (Dramaturgie), Maayan Licht, Anna Dowsley, Dorothee Bienert, Stephanie Hershaw, Penelope Kendros, Irakli Atanelishvili, Seungweon Lee, Opernchor des Oldenburgischen Staatstheaters, Oldenburgisches Staatsorchester






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