Startseite » Oper » Opern-Kritiken » Wenn nur der tödliche Handschlag bleibt

Opern-Kritik: Oper Köln – Don Giovanni

Wenn nur der tödliche Handschlag bleibt

(Köln, 9.3.2025) An der Oper Köln sieht Regisseurin Cecilia Ligorio die mentalen Spannkräfte und manipulativen Fertigkeiten des genusserpichten Don Giovanni nachlassen. Auch musikalisch überzeugt die Premiere am Rhein.

vonMichael Kaminski,

Der Mensch ist sein eigenes Labyrinth. Gefangen in seinen Denkmustern, Affekten und Trieben. Weit und breit kein Ariadnefaden. Gleich dem Minotauros lauert in den Irrgängen, die Bühnenbildner Gregorio Zurla ihm geschaffen hat, Don Giovanni auf weibliche Beute. Für seine Ausschweifungen stülpt er sich den Stierkopf über. Während der Anknüpfungsphase seiner Frauengeschichten freilich trägt der Verführer Menschenantlitz. Eine bloße Larve. Nicht weniger das chevalereske Auftreten, jene – beinahe – unwiderstehliche Kombination aus Charme und Nachdruck. Doch sieht Regisseurin Cecilia Ligorio des Genusserpichten mentale Spannkräfte und manipulative Fertigkeiten in ihrer Inszenierung an der Oper Köln nachlassen. Allerhand geht schief. Rohe Gewalt kann Charisma nicht ersetzen. Mag immer der Komtur dem Erotomanen fallen, die Vergewaltigung, geschweige Eroberung Donna Annas scheitert.

Anzeige
Szenenbild aus „Don Giovanni“ an der Oper Köln
Szenenbild aus „Don Giovanni“ an der Oper Köln

Der Don hat sein Pulver verschossen

Zur Akquise eines Bauernmädchens wie Zerlina hingegen prunkt Don Giovanni mit erdenklichstem Aufwand. Denn in vorrevolutionären Zeiten zeigt sich das Landvolk inzwischen nurmehr begrenzt willfährig und will für adelige Libertinage mindestens gehörig entschädigt sein. Ans Ziel aber führen weder Brachialität noch Renommieren und Spendieren. Don Giovanni – Ligorio ist da eindeutig – hat sein Pulver verschossen. Kein Zauber geht von ihm mehr aus.  Seine Umtriebe münden im Leerlauf. Zeit zu sterben. Der Steinerne Gast kommt zupass. Ihm die Hand reichend, leistet Don Giovanni ein Wagestück, das an kühnste Liebesabenteuer von einst reicht.

Szenenbild aus „Don Giovanni“ an der Oper Köln
Szenenbild aus „Don Giovanni“ an der Oper Köln

Den Fängen des Verführers entronnen

Sein Tod befreit die anderen. Zerlina vor Nachstellungen. Die von ihren überbordenden Leidenschaften malträtierte Donna Elvira hingegen erfährt an sich das Verlöschen jener Liebesflammen, die um’s Haar ihre Selbstachtung verzehrt hätten. Wenn sie andere Frauen vor dem Unhold warnte, dann schwang darin immer auch mit, sich Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Nun aber zeigt sich Donna Elviras Seelenleben und Handeln gereift. Gleich doppelt befreit das Hinscheiden des Libertins Donna Anna: vom Zwang, den Vater rächen zu müssen, wie davon, sich Rechenschaft darüber abzulegen, ob der Verführer nicht etwa an uneingestandenes Verlangen rührte. Wendet sie sich final Don Ottavio zu, so dessen Nachsicht und Empathie. Ohnehin verkörpert der Verlobte die Gefühlshaltung der Mozartzeit: Empfindsamkeit. Mag sein, sie taugt zum den Weg aus dem emotionalen Labyrinth weisenden Ariadnefaden. Dies, obschon Gregorio Zurla ein ganz und gar klassizistisches – mithin dem Geschmack aus den Jahren der Uraufführung des Werks verpflichtetes – Irrgehäuse auf die Bühne stellt. Eifrig hält Zurla die Drehscheibe in Gang. Die Durchblicke und Schauplätze wechseln, ohne Ausflucht zu eröffnen. Vera Pierantoni Giua hüllt die Personnage in heutige Garderobe mit wohldosierten und trefflichen Anspielungen auf das 18. Jahrhundert.

Anzeige

Szenenbild aus „Don Giovanni“ an der Oper Köln
Szenenbild aus „Don Giovanni“ an der Oper Köln

Musikalisch auf gutem Weg

Kaum minder denn szenisch, überzeugt der neue Kölner „Don Giovanni“ musikalisch. Zwar braucht es einige Zeit, bis Tomáš Netopil und das Gürzenich-Orchester sich auf die vom Werk erforderte Verve und Geschmeidigkeit völlig einlassen. Doch fortschreitend dringt glut- und blutvolles Drama aus dem Graben. Final legen Kapellmeister und Klangkörper auf Kosten der Durchhörbarkeit ein wenig zu viel Wert auf Aplomb. Seth Carico ist ein schlankstimmiger Don Giovanni, dem vokal einiges mehr an Grandezza und Ritterlichkeit zu wünschen wären. Vehementere Durchschlagskraft vertrüge auch Adrian Sâmpetreans Leporello. Vokal erwächst Donna Anna bei Kathrin Zukowski ganz auf den Linien der Schönheit und Empfindsamkeit. Ihre feurige Donna Elvira lässt Valentina Mastrangelo aus dem Erbe barocker Affektpsychologie hervorgehen. Dimitry Ivanchey verkörpert einen tenoral biegsamen Don Ottavio. Liebreizend und pfiffig agiert Zerlina bei Giulia Montanari. Auch der Masetto von Wolfgang Stefan Schwaiger lässt aufhorchen.

Oper Köln
Mozart: Don Giovanni

Tomáš Netopil (Leitung), Cecilia Ligorio (Regie), Gregorio Zurla (Bühne), Vera Pierantoni Giua (Kostüme), Daisy Ransom Phillips (Choreografie), Andreas Grüter (Licht), Rustam Samedov (Chor), Seth Carico, Kathrin Zukowski, Dimitry Ivanchey, Christoph Seidl, Valentina Mastrangelo, Adrian Sâmpetrean, Wolfgang Stefan Schwaiger, Giulia Montanari, Chor der Oper Köln, Tanzensemble Gürzenich-Orchester Köln






Auch interessant

Rezensionen

Anzeige
  • „Ich bin einfach Sängerin“
    Interview Fatma Said

    „Ich bin einfach Sängerin“

    Fatma Said spricht im Interview über das romantische Lied, das Eigenleben der Stimme und einen besonderen Besuch in Kairo.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!

Anzeige