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Opern-Kritik: Ravenna Festival – Rigoletto

Verdi-Feuer

(Ravenna, 1.12.2018) Cristina Muti setzt in ihrer Heimatstadt mit Fortune auf den Sänger- und Dirigentennachwuchs.

vonPeter Krause,

Es ist der Abend der Entdeckungen und Überraschungen. Bekannte Sängernamen altgedienter Stars sucht man auf dem Besetzungszettel vergebens. In seinem Herbstableger, der in diesem Jahr drei Verdi-Opern in Folge präsentiert, versteht sich das Ravenna Festival als Spielwiese des Sänger- und Dirigentennachwuchses. In der „Trilogia d’Autunno“ verwirklicht Cristina Muti also ein Anliegen, das sie mit ihrem Gatten Riccardo Muti teilt: Es gilt, der nächsten Künstlergeneration ein Podium zu errichten, auf dem es sich bestmöglich vorstellen kann. Nicht nur in Kleinstpartien, wie in den Opernstudios üblich, sondern in Hauptrollen, die man den zukünftigen Primadonnen und Primi Uomini an den größten Häusern in München oder Mailand noch längst nicht anvertrauen würde.

Szenenbild aus "Rigoletto"
Rigoletto/Ravenna Festival © Zani-Casadio

Wie Signora Muti zur mütterlichen Maestra wird

Hier im intimen Rahmen des Teatro Dante der norditalienischen Schönen, die als Stadt der byzantinischen Mosaiken das ganze Jahr über ein Touristenmagnet ist, funktionieren die noch nicht vollends ausgereiften Stimmen problemlos. Hier ist eine behutsam und abseits des musiktheatralischen Metropolen-Stress vorbereitete Premiere ein echter Entwicklungsschritt zur Meisterschaft. Hier wird die Gattin des Maestro Muti ihrerseits zur mütterlichen Maestra, somit zur Lehrmeisterin von Sopranistinnen und Baritonen. Signora Cristina ist omnipräsent, sie kümmert sich, lenkt die Aufmerksamkeit von sich weg auf das wirklich Wesentliche: Sie bringt die jungen Sänger und Dirigenten zum Blühen und Glühen.

Ein gelehriger wie grandioser Jünger des Riccardo Muti: Der junge Meister Hossein Pishkar am Pult

Hossein Pishkar
Hossein Pishkar © Susanne Diesner

Fraglos beglückend ist es, Hossein Pishkar am Pult des Orchestra Giovanile Luigi Cherubini zu erleben. Der junge Perser, der in Deutschland studierte und zuletzt den Deutschen Dirigentenpreis 2017 abräumte, zeigt sich einerseits als gelehriger Jünger von Riccardo Muti und setzt dennoch längst vernehmliche eigene Zeichen. Die beherzte Abkehr von der Schlamperei, die Italiener Tradition nennen, hat er von Muti gelernt. Denn sein Verdi lebt von ausgeprägter metrischer Klarheit, seine straffe Sängerführung erlaubt keine übertriebenen Rubati und keinen Vokal-Protz. „Acuti“, Spitzentöne also, die nicht in der Partitur zu finden sind, haben in der Aufführung auch nichts zu suchen.

Hossein Pishkar hat die Zügel fest im Griff und atmet dennoch vorbildlich mit seinen Sängerinnen und Sängern. Rigolettes große Arie „Cortigiano, vil razza dannata“ unterlegt er dazu mit einem dunkel flammenden Verdi-Feuer, das von seinem fantastischen Theaterinstinkt zeugt. Den „Vendetta“-Teil der Duetts zwischen Gilda und Rigoletto beginnt er bewusst nicht zu schnell, um die Beschleunigung zum Ende hin noch deutlich furioser entfesseln zu können, als dies gemeinhin üblich ist. Da wächst eine echte, wirklich musikalisch komplette Groß-Begabung heran, die sich auch im sinfonischen Repertoire bestens auskennt.

Edler Verdi-Bariton mit großem Zukunftspotenzial: Andrea Borghini als Rigoletto

Szenenbild aus "Rigoletto"
Rigoletto/Ravenna Festival © Zani-Casadio

Entdeckung Nr. 2 ist Andrea Borghini. Von 2012 bis 2014 war er Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper, von 2014 bis einschließlich der Spielzeit 2017/18 war er in München Mitglied des Ensembles. Sein Debüt in der Titelpartie des Rigoletto – in München lauschte er noch als Murullo bekannten Bariton-Kollegen – ist ein Glücksfall des Ravenna Festivals.

Sein edler Verdi-Bariton hat die immens wichtige obertonreiche, nie falsch abgedunkelte Höhe, eine warm ausgebaute, anschmiegsame Mittellage und eine wortgewandte Präsent und Deutlichkeit, die es für Verdi jenseits der Gestaltung schöner Legato-Linien braucht. Von dem jungen Mann werden wir noch lange hören, wenn er seinen stimmlichen Reifungsprozess behutsam fortsetzt. Wenn er wollte und dürfte, dann könnte er auch mit jenen hohen Tönen angeben und beeindrucken, die der Aufführungspraxis entspringen, aber von Verdi nicht vorgesehen waren. Hier darf er nicht. Und wir vermissen die heimlich erwarteten Töne mitnichten.

Das Festival als Labor des Sängernachwuchses

Szenenbild aus "Rigoletto"
Rigoletto/Ravenna Festival © Zani-Casadio

Für Aufhorchen sorgt auch der fürwahr mörderisch schwarze Bass des Antonio di Matteo, der uns mit seinem Sparafucile für Gänsehautmomente beschert. Venera Protasova singt die Gilda mit technisch perfekt fundiertem Koloratursopran. Noch fehlt ihr die Risikolust, mit der sie ihre himmelhochjauchzenden Töne auch mit dramatischer Energie erfüllen müsste. Das kommt noch. Nur für Einspringer Giuseppe Tommaso kommt der Duca di Mantova denn doch zu früh. Noch viel zu unbekümmert setzt er seine schöne Tenorstimme ein. Ihm wäre ein längerer, ihn vor allen Dingen disziplinierenden Probenprozess zu wünschen gewesen.

Die Demut der Grande Dame

Cristina Mutis Inszenierung besticht durch einfühlsame Details und noch stärkere, wiederum der Kunstgeschichte entliehene Bilder als im „Nabucco“ tags zuvor. Die Verbannung des exzellenten Chores in die Logen und ihr szenischer Ersatz durch die „DanzActori“ sorgt an diesem Abend für viel sinnig belebte Bewegung. Vor allem aber dient die Regie der Musik und den Sängerinnen und Sängern. Diese Demut der Grande Dame ist hier einmal deutlich höher zu werten als jedes nördlich der Alpen übliche Experimentieren und Dekonstruieren.

Szenenbild aus "Rigoletto"
Rigoletto/Ravenna Festival © Zani-Casadio

Ravenna Festival
Verdi: Rigoletto

Hossein Pishkar (Leitung), Cristina Mazzavillanti Muti (Regie), Paolo Miccichè (Visual-Design), Davide Broccoli (Video-Programmierung), Vincente Longuemare (Licht-Design), Alessandro Lai (Kostüme), Giuseppe Tommaso, Andrea Borghini, Venera Protasova, Antonio di Matteo, Daniela Pini, Cecilia Bernini, Giulio Boschetti, Paolo Gatti, Gioacomo Leone, Adriano Di Bella, Guilia Mattarella, Vittoria Magnarello, Orchestra Giovanile Luigi Cherubini, Coro Lirico Marchigiano „Vincenzo Bellini“

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