In Sergej Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ streiten Theaterleute erbittert über die Frage, ob nun Komisches, Lyrisches, Tragisches oder schlicht etwas Banales auf die Bühne gebracht werden soll – es setzen sich schließlich die Vertreter des Lächerlichen durch. Am Schleswig-Holsteinischen Landestheater in Flensburg greift Regisseur Hendrik Müller somit nicht nur deren Frage nach dem „Was“ auf, sondern stellt seine eigene Frage an das Stück, hinterfragt es in Bezug auf das „Wie“.
Der Kampf um die Aufmerksamkeit
Dieses ergründet Müller in einem ressourcenschonenden und zugleich effizienten Konzept: Zentrales Element der Inszenierung ist Bühnenbildner Marc Weegers auf der Vorder- wie Hinterseite dreitüriges Kabinett. Es befindet sich in ständiger Drehbewegung, wodurch die Darsteller in und mit der Bühneninstallation interagieren können und Auf- und Abgänge der Figuren nahtlos geschehen. Das Schauspiel gerät nicht ins Stocken, vor allem deshalb nicht, weil das Personal auf und neben der Bühne nie stillsteht. Detailreich auschoreografiert kommentieren Figuren ihren Gesang, ihre eigene Bewegung, die Aktion des Gegenübers. Dadurch entsteht stets eine subtile Parallelhandlung, die oft sogar komischer ist als die Haupthandlung.
Anspielungsreiche Kostüme
Damit einher gehen vielfältige Kostüme und Maskeraden, die von David Bowie und Marilyn Monroe über Alice im Wunderland bis zur traditionellen Commedia dell’arte reichen und viel Raum zum Entdecken bieten. Auch hier kennt Müller seine Sänger und deren Charaktere gut, staffiert die Figuren nicht einfach willkürlich aus, sondern sucht passende Persönlichkeiten. Kai-Moritz von Blanckenburg gibt mit bassepochaler Größe den Kreuz-König, Dritan Angoni muss als Prinz den jugendlichen Heldentenor nicht spielen, nein, er verkörpert ihn, und Bariton Philipp Franke performt sich in blauem Samt und Pluderhose närrisch zum Publikumsliebling.
Schließlich lenkt die Lichtregie „Die Liebe zu den drei Orangen“ wieder in geordnete Bahnen, wodurch das Wesentliche in der Handlung nicht durch unverständliche Anspielungen verwässert. Ob nun der Auftritt der Hexe Fata Morgana oder das erfolgreiche Auffinden der Orangen: klar erkennbare Farben wie orange oder grün fungieren als visuelle Karteikarten mit gezielt märchenhafter Plakativität. Insgesamt legt Hendrik Müller als Operndirektor in Flensburg mit Ideenreichtum und Kreativität ein überzeugendes Debüt hin.
Geglücktes Klangexperiment
Mit Harish Shankar gibt auch ein neuer Generalmusikdirekter in dieser Spielzeit sein Debüt am Flensburger Landestheater. Auffallend klein ist dort der Orchestergraben, wenige Musiker finden dementsprechend darin Platz. Dennoch gelingt Shankar mit dem nötigsten an Bläsern und Perkussion und einem auf Hochleistung arbeitenden kleinen Streicherapparat ein akkurater, vielleicht nicht ganz streichergesättigter, aber dennoch voluminöser Kammersound. Dieser überrascht, wirkt neuartig und ist zumindest zum Vorteil des Chores, welcher nach einer raschen Eingewöhnung ins hektische Geschehen des Stücks zur akustischen tragenden Säule des Premierenabends wurde.
Schleswig-Holsteinisches Landestheater (Flensburg)
Prokofjew: Die Liebe zu den drei Orangen
Harish Shankar (Leitung), Hendrik Müller (Leitung), Andrea Danae Kingston (Choreografie), Marc Weeger (Bühne & Kostüme), Avishay Shalom (Chor), Maximilian Eisenacher & Susanne von Tobien (Dramaturgie), Kai-Moritz von Blanckenburg, Dritan Angoni, Timo Hannig, Christian Alexander Müller, Philipp Franke, Mikołaj Bońkowski, Itziar Lesaka, Vera Semieniuk, Anna Avdalyan, Małgorzata Rocławska, Itziar Lesaka, Chor & Extrachor des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters, Schleswig Holsteinisches Sinfonieorchester
Termintipp
Sa, 28. Dezember 2024 19:00 Uhr
Musiktheater
Prokofjew: Die Liebe zu den drei Orangen
Kai-Moritz von Blanckenburg (Kreuz König), Dritan Angoni (Der Prinz), Timo Hanning (Leander & Die Köchin), Christian Alexander Müller (Truffaldino), Philipp Franke (Pantalone, Farfarello & Herold), Itziar Lesaka (Fata Morgana), Harish Shankar (Leitung), Hendrik Müller (Regie)