Vielleicht muss man nur innig genug daran glauben und ein wenig Autosuggestion betreiben, damit aus Seifenblasen ein Bühnenzauber, aus einer Provinzsängerin ein erfolgreicher Filmstar und aus einem unbekannten europäischen Kleinstaat Hollywood wird. Es ist diese Kraft des Glaubens, durch die Sehnsüchte Wirklichkeit werden – ein Geist, den nicht nur Komponist Oscar Straus in seiner Operette „Hochzeit in Hollywood“ heraufbeschwört, die nun am Theater für Niedersachsen ihre Premiere feierte.
Wie auch in Verdis „La Traviata“ rückt bei Straus die nicht standesgemäße Liebe in den Mittelpunkt. Regisseur und Intendant Oliver Graf modernisiert das Stück durch gezielte, feine Justierungen: So sucht der Protagonist Felix – nicht als Balkanprinz, sondern als Präsidentensohn – die Liebe zu der Sängerin Mizzy, die von Loreley Rivers in einer neu interpretierten Dragqueen-Rolle verkörpert wird.
Das wirkt vortrefflich und authentisch, glänzt Rivers doch als Bühnenfigur unabhängig von der skurril zwischen Falsett und Normalstimme changierenden Gesangsakrobatik vollumfänglich. Viele der von Graf eigens für dieses Szenario umgestalteten Dialoge und Slapstickelemente erzeugen einen Sog um das einnehmende Thema Dragqueen, ohne dabei karnevalesk zu wirken – gute Voraussetzungen also, um an der wahren Liebe zu Felix zu verzweifeln, als Filmstar Mary Lou das Glück zunächst in Hollywood zu suchen, um dann in der finalen Liebesfilmszene doch zum schicksalshaft Angetrauten zurückzufinden.
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Die Rolle des Conférenciers
Auf seinem Weg begegnet Felix – dessen Rolle von Julian Rohde mit durchweg ernster Dramatik sängerisch interpretiert wird – einigen Hürden: Er kündigt das Verhältnis zu seinem Vater auf, verdient auf der anderen Seite des Atlantiks als Gigolo Geld und bemüht sich neben zahlreichen Brautbewerbern und Filmdarstellern um die Hand Mary Lous. Um der Komplexität der Handlung zu begegnen, tritt Neele Kramer als (genderfluider?) Conférencier auf. Mit gestochen scharfer sprachlicher Nadel kommentiert sie/er das Geschehen, zeigt allgegenwärtige Präsenz und verkörpert im zweiten Akt zudem den Etablissement-Leiter Mr. Widdels. Zwar gelingt die Darstellung souverän, doch wäre ein wenig mehr Emphase und Begeisterungsfähigkeit in dieser facettenreichen Alleinunterhalterrolle wünschenswert.
Musikalische Komplexität differenziert betonen
Überzeugend sind durchweg die von Sebastian Ellrich besorgten Kostüme und Bühnenelemente, die in goldenen, weißen und schwarzen Farbtönen – beinahe widersprüchlich – eine moderne Ästhetik entfalten, die gleichermaßen pompös wie nüchtern wirkt. Auffällig sind dabei etwa Schwarzkirschen als Sitzgelegenheit, ein klassizistischer Marmorbecher, in den die Dragqueen eingelassen wird, sowie zahlreiche Kleider, von denen das massivgoldene im Statue-of-Liberty-Stil als besonderes Highlight hervorsticht.
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Musikalisch betont GMD Florian Ziemen zielgenau die Eigenheiten der Oscar-Straus’schen Partitur. Die Komposition vereint operettentypische Leichtigkeit und bekannte Gassenhauer, die zum Mitsummen und Klatschen einladen, mit komplexen, spätromantischen Harmonien, die die emotionale Stimmung der Charaktere – von Erregung und Witz bis hin zu Trauer und Melancholie – vorwegnehmen. Ziemen wählt dabei bewusst einen Mittelweg zwischen ausladender Süßlichkeit und rhythmisch raffinierter Spielmusik.
Insgesamt also präsentiert sich „Hochzeit in Hollywood“ als erfreulicher Premierenabend, der mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Kleinere kosmetische Schwächen, wie etwa der etwas fehlende Elan im stark in die Handlung eingebundenen Chorensemble und in der generellen Interaktion, dürften sich mit der Zeit jedoch gewiss wegspielen.
Theater für Niedersachsen
O. Straus: Hochzeit in Hollywood
Florian Ziemen (Leitung), Oliver Graf (Regie), Sebastian Ellrichs (Bühne & Kostüm), Annika Dickel (Choreografie), Achim Falkenhausen (Chor), Samuel C. Zinsli (Dramaturgie), Loreley Rivers, Julian Rohde, Sonja Isabel Reuter, Andrey Andreychik, Neele Kramer, Eddi Mofokeng, Opernchor des tfn, tfn-Philharmonie
Sa., 01. März 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
O. Straus: Hochzeit in Hollywood
Loreley Rivers (Mizzi), Julian Rohde (Felix), Sonja Isabel Reuter (Garderobiere & Bessie), Andrey Andreychik (Teddy Vandermere & Präsident), Neele Kramer (John Widdels & Conférencier), Eddie Mofokeng (Nino Namara & Kapellmeister), Jan Kämmerer (Staatssekretär, Prof. Crook & Smith), Florian Ziemen (Leitung), Oliver Graf (Regie)
Di., 11. März 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
O. Straus: Hochzeit in Hollywood
Loreley Rivers (Mizzi), Julian Rohde (Felix), Sonja Isabel Reuter (Garderobiere & Bessie), Andrey Andreychik (Teddy Vandermere & Präsident), Neele Kramer (John Widdels & Conférencier), Eddie Mofokeng (Nino Namara & Kapellmeister), Jan Kämmerer (Staatssekretär, Prof. Crook & Smith), Florian Ziemen (Leitung), Oliver Graf (Regie)
So., 16. März 2025 16:00 Uhr
Musiktheater
O. Straus: Hochzeit in Hollywood
Loreley Rivers (Mizzi), Julian Rohde (Felix), Sonja Isabel Reuter (Garderobiere & Bessie), Andrey Andreychik (Teddy Vandermere & Präsident), Neele Kramer (John Widdels & Conférencier), Eddie Mofokeng (Nino Namara & Kapellmeister), Jan Kämmerer (Staatssekretär, Prof. Crook & Smith), Florian Ziemen (Leitung), Oliver Graf (Regie)
Do., 20. März 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
O. Straus: Hochzeit in Hollywood
Loreley Rivers (Mizzi), Julian Rohde (Felix), Sonja Isabel Reuter (Garderobiere & Bessie), Andrey Andreychik (Teddy Vandermere & Präsident), Neele Kramer (John Widdels & Conférencier), Eddie Mofokeng (Nino Namara & Kapellmeister), Jan Kämmerer (Staatssekretär, Prof. Crook & Smith), Florian Ziemen (Leitung), Oliver Graf (Regie)
Mo., 07. April 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
O. Straus: Hochzeit in Hollywood
Loreley Rivers (Mizzi), Julian Rohde (Felix), Sonja Isabel Reuter (Garderobiere & Bessie), Andrey Andreychik (Teddy Vandermere & Präsident), Neele Kramer (John Widdels & Conférencier), Eddie Mofokeng (Nino Namara & Kapellmeister), Jan Kämmerer (Staatssekretär, Prof. Crook & Smith), Florian Ziemen (Leitung), Oliver Graf (Regie)