Es ist ein interessant zu beobachtendes Phänomen, dass bei all den zahlreichen Opernpremieren innerhalb eines Monats häufig ein Komponist deutlich öfter vertreten ist als alle anderen. Während beispielsweise im vergangenen März die voluminösen Werke Wagners mit erkennbarem Abstand in der Poleposition standen, ist der April offenbar ein Mozart-Monat. Mal heiter, mal ernst, mal anders erklingt Mozart dieser Tage an (fast) jeder Ecke.
Als mindestens so scherz- und wechselhaft wie das Aprilwetter erweist sich „Le nozze di Figaro“ – noch immer eine der musikalisch geschicktesten und pointiertesten Liebeskomödien der Operngeschichte, die überall und immer wieder neu erblüht, etwa am Theater Magdeburg in einer neuen Inszenierung von Generalintendant Julien Chavaz, musikalisch geleitet von GMD Anna Skryleva. Ebenso in Berlin: Nachdem hier bereits im letzten Jahr Kirill Serebrennikovs aus Zürich importierte Inszenierung der „Così fan tutte“ an der Komischen Oper bejubelt wurde, folgt nun in der Interimsspielstätte im Schillertheater mit dem sprudelnden „Figaro“ der zweite Teil seines Mozart-Da-Ponte-Zyklus. Teil drei mit „Don Giovanni“ folgt dann im kommenden Jahr.
Ein ernsterer Mozart ist dagegen am Theater Bremen zu erleben. „La clemenza di Tito“, die letzte große Opera seria des Komponisten, entstand innerhalb weniger Wochen (parallel arbeitete Mozart noch an den letzten Zügen der „Zauberflöte“) und wurde kurz vor seinem Tod in Prag uraufgeführt. Wie so oft, wenn altrömische Herrscherdynastien im Mittelpunkt des Geschehens stehen, befinden sich die im Intrigennetz eingesponnenen, tragischen Figuren irgendwo auf dem schmalen Grat zwischen privaten Neigungen und politischen Pflichten. Mittendrin Kaiser Titus, dessen titelgebende Milde („clemenza“) hart geprüft wird. Für Regisseur Marco Štorman ist es bereits das fünfte Opernprojekt am Theater Bremen.
Mozart ganz aktuell
Auf eine gänzlich andere Art und Weise beleuchtet man das Schaffen Mozarts in Aachen. Hier hat sich der israelische Regisseur Ran Chai Bar-zvi mit „Zaide“ ein unvollendetes Singspiel Mozarts vorgeknöpft, das aufgrund seiner ähnlichen Thematik (auch hier geht es um die dramatische Sklavenflucht aus einem Sultanspalast) häufig als ernster Vorläufer der eher heiteren „Entführung aus dem Serail“ angesehen wird. Mozart brach die Arbeit an „Zaide“ jedoch ab, das Fragment wurde erst 75 Jahre nach seinem Tod erstmals aufgeführt.
Seither haben sich viele an einer Ergänzung versucht, so auch im Jahr 2005 die israelische Komponistin Chaya Czernowin. Diese, so beschreibt es das Aachener Theater, fülle mit ihrer Fortsetzung „Zaïde/Adama“ jedoch nicht die Lücken, die Mozart hinterlässt, „sondern stellt ihm vielmehr ein eigenständiges und doch komplementär wirkendes Anderes für ein zweites Orchester gegenüber“. Czernowins „Adama“ handelt von der unmöglichen Liebe zwischen einer Jüdin und einem Palästinenser und stellt Mozarts Werk damit gerade jetzt im Angesicht des laufenden Weltgeschehens in einen bitteren, aber aktuellen Kontext. Mozart geht eben immer und überall.