„Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen.“ – Dass sie aussprach, was sie dachte, dafür bezahlte Sophie Scholl mit ihrem Leben. Gemeinsam mit ihrem Bruder Hans wurde sie am 22. Februar 1943 zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet. Bis heute gelten die Geschwister Scholl wie alle Mitglieder der „Weißen Rose“ als Symbolfiguren im Widerstandskampf gegen das totalitäre System im nationalsozialistischen Deutschland. Und noch immer dienen ihre bewegende Geschichte, ihre Taten und ihre humanistischen Ideale als Vorlage für zahlreiche künstlerische Werke – auch auf den Opernbühnen.
Mit eindringlicher Intensität verarbeitete beispielsweise Komponist Udo Zimmermann das Innenleben der Geschwister Scholl, ihr Flehen um inneren Frieden in der Stunde ihres Todes. Der Erfolg seiner Kammeroper „Weiße Rose“ ist seit ihrer Uraufführung 1986 ungebrochen. Das Staatstheater Nürnberg hat das etwa 75-minütige Werk, dessen gesangliche Besetzung lediglich aus den beiden Protagonisten Hans (Michael Fischer) und Sophie Scholl (Andromahi Raptis) besteht, vom Opernhaus in die Nürnberger Gustav-Adolf-Gedächtniskirche verlegt – auch als Anspielung an den christlichen Glauben, der für das Geschwisterpaar eine wichtige Grundfeste im Leben war. Regie führt Annika Nitsch, am Pult der Staatsphilharmonie steht Francesco Sergio Fundarò.
Ab wann leistet man Widerstand?
Einen Blick auf die Geschichte wirft auch das Theater Heidelberg und fokussiert dabei vor allem den Aktualitätsbezug mit einer Uraufführung: Im Mai dieses Jahres wäre Sophie Scholl hundert Jahre alt geworden – Anlass zur Entstehung des Auftragswerks „Gerade sein und Mensch werden: Sophie Scholl“, geschaffen von der Darmstädter Komponistin Karola Obermüller. Unter der Regie von Magdalena Fuchsberger lassen sich hier die Parallelen vom Damals ins Heute ziehen, die das Publikum mit denselben Fragen konfrontieren sollen, die sich auch Sophie Scholl stellen musste: Ab wann leistet man Widerstand, und wie weit ist man bereit, dafür zu gehen?
Welche Handlungsspielräume dem Einzelnen dabei im Kampf gegen ein diktatorisches Regime zustehen, damit beschäftigte sich bereits der 1944 in Ausschwitz-Birkenau von den Nationalsozialisten ermordete Viktor Ullmann. Sein neun Jahre zuvor, also während der Machtergreifung der Nazis entstandenes Bühnenweihefestspiel „Der Sturz des Antichrist“ feiert an der Oper Leipzig nach coronabedingter Verschiebung nun endlich seine Premiere. Ein wertvolles, beinahe vergessenes Werk, inszeniert vom ungarischen Regisseur Balázs Kovalik.
Geprägt von den politisch braunen Abgründen seiner Zeit wurde auch Bertolt Brechts Textgrundlage zur Paul-Dessau-Oper „Die Verurteilung des Lukullus“, die ab November in einer Inszenierung von Franziska Kronfoth und Julia Lwowski an der Staatsoper Stuttgart in Szene geht. Zwar liegen Zeit- und Handlungsraum des ursprünglichen Radio-Hörspiels im Schattenreich des römischen Altertums, grundlegendes Ereignis zur Textentstehung war jedoch der Einmarsch der deutschen Truppen in Polen 1939. So schufen Autor und Komponist ein Plädoyer für Frieden, wider die Rechtfertigung von Kriegsverbrechen und das Abhandenkommen der Menschlichkeit.
Mangelnde Konsonanzen im Bundestag
Doch wozu führte das alles? Wo stehen wir heute? Eine Bestandsaufnahme des politischen Status quo im Wahljahr 2021 liefert schließlich die „Demokratische Sinfonie“ von Paul Brody am Oldenburgischen Staatstheater. In seinem dokumentarischen Schauspiel- und Musiktheaterabend hat der Komponist auf Basis ausgewählter Bundestagsdebatten der laufenden 19. Legislaturperiode eine Musik komponiert, die gewissermaßen den Klang unseres Parlaments und damit auch der Demokratie wiedergibt – und dieser wird auch heute keinesfalls von Konsonanzen bestimmt.