Mangelnden Mut zu Ausgrabungen und zu Unerhörtem kann man den Opernintendanten im März kaum vorwerfen. Das Theater Lübeck führt den Premierenreigen am 6.3. mit einer Uraufführung des südafrikanischen Komponisten Richard van Schoor an. „L’Européenne“ erzählt von der Beziehung der europäischen Entwicklungshelferin Lena mit dem Afrikaner Boubakar. Bei einem Date mit ihrem Geliebten bringt sie sich mit Tabletten um. Boubakar flieht aus der Wohnung, wird verhaftet und wegen Mordes angeklagt. Die Oper nach dem Kurzfilm „Die falsche Seite“ von Lionel Poutiaire Somé kombiniert filmische Mittel mit dem Spiel auf der Bühne. Film, Text und Musik werden collageartig montiert. Die Musik folgt dem Prinzip und verwendet Elemente aus klassischer Musik, afrikanischer Dodo-Oper, die Geräuschkulissen eines afrikanischen Townships und einer europäischen Großstadt. Das Team will den postkolonialen Transfer von Musik, Theater und darstellenden Künsten zwischen Europa und Westafrika erproben und fokussiert damit den gemeinsam mit der Oper Halle konzipierten Spielzeitschwerpunkt transkontinentaler Beziehungen, der mit Darius Milhauds „Christophe Colomb“ begann und später mit Meyerbeers „L’Africaine“ fortgesetzt wird.
Ein verbotener Blick wird zum Verhängnis
Mit seinem als „Spiel mit Göttern und Menschen“ bezeichneten Oper „Die heilige Ente“ feierte Hans Gál 1923 in Düsseldorf einen Sensationserfolg. Doch zehn Jahre später wurde dem österreichischen Enkelschüler von Johannes Brahms mit der Machtergreifung der Nazis seine jüdische Abstammung zum Verhängnis. Er emigrierte nach Großbritannien. Und seine Oper geriet in Vergessenheit. Sie berichtet vom armen Kuli Yang, dem während eines verbotenen Blicks auf Li, die Gattin des Mandarins, jene Ente gestohlen wird, die er bei Hofe abzuliefern hat. Yang droht die Todesstrafe, da gehen die Götter dazwischen und vertauschen die Häupter von Kuli und Mandarin. Er genießt die Liebe zur schönen Li, hebt restriktive Gesetze auf. Als er auch noch die Götter abschaffen will, wird es denen zu bunt. Sie heben den Tausch auf. Am Theater Heidelberg ist am 7.3. Premiere.
Vom Kampf des Einzelnen gegen das Regime
Viktor Ullmann schuf mit der als Bühnenweihfestspiel bezeichneten Oper „Sturz des Antichrist“ gleichsam seinen „Parsifal“. Aus der an der Wiener Staatsoper geplanten Uraufführung wurde allerdings nichts. Nach künstlerisch fruchtbaren Jahren im Ghetto Theresienstadt wurde er 1944 in Auschwitz ermordet. Offen fragt der Komponist in seinem Werk, welchen Handlungsspielraum der Einzelne im Kampf gegen ein diktatorisches Regime hat. Ein Techniker, ein Priester und ein Künstler sind in der Gewalt eines Alleinherrschers, der ihre Dienste zur Befriedigung seiner Allmachtsfantasien einfordert. Mit Hilfe seiner Gefangenen möchte er sich die Erde untertan machen. Während Techniker und Priester vor ihren Aufgaben versagen, verweigert sich der Dichter. Im Kerker schöpft er in der Zwiesprache mit einem greisen Wärter neue Kraft für seinen Widerstand gegen die Unvernunft seines Widersachers. Die Oper Leipzig bringt die Wiederentdeckung am 21.3. heraus.
Gottes schlichtende Stimme
Dezidiert als parabelhafte Kirchenoper hat der Däne Rued Langgaards seinen spätromantisch schillernden „Antikrist“ angelegt, den die Deutsche Oper Berlin wiederum am 21.3. neu in Szene setzt. Angerufen von Luzifer, offenbart sich der Antikrist in vielerlei Gestalt: Durch Hoffart, Missmut, Begierde, Lüge und Hass wird die Menschheit im „Streit aller gegen alle“ versucht. Doch am Schluss des endzeitlichen Mysterienspiels setzt die Stimme Gottes dem Antichrist ein Ende. Die Welt scheint gereinigt.
Termintipp
Do, 24. April 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Langgaard: Antikrist
Kyle Miller (Luzifer), Jonas Grundner-Culemann (Gottes Stimme), Maria Vasilevskaya (Das Echo der Rätselstimmung), Arianna Manganello (Die Rätselstimmung), Thomas Cilluffo (Der Mund, der große Worte spricht), Stephan Zilias (Leitung), Ersan Mondtag (Regie)