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Opern-Tipps im Mai 2024: Frauenpower

Frauenpower

Im 19. Jahrhundert waren Frauenrollen bestenfalls als Femme fatale bedeutend. Jetzt rückt der Fokus zu Recht auf seriöse Rollenbilder und Profile.

vonPatrick Erb,

Die Theaterbühne ist ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Das trifft auch auf die Oper zu, sei es der Aufklärungsgedanke in Mozarts „Die Zauberflöte“, Freiheitsproklamation in Beethovens „Fidelio“ oder der Rückgriff auf mittelalterliche Werte und Ästhetiken in der Romantik, wie sie nicht zuletzt Wagner in einigen Werken, darunter „Tannhäuser“, „Die Meistersinger“ und „Parsifal“ propagierte. Auch Literaturströmungen wie der Verismo sind mit Verzögerung Thema in der Oper geworden, wie Mascagnis „Cavalleria rusticana“ trefflich belegt.

Das 20. und vor allem das 21. Jahrhundert stehen dabei stark unter dem Eindruck der Gleichbetrachtung von Frauen als Titelheldinnen der Oper. Die italienische Komponistin Lucia Ronchetti etwa bringt im Rahmen der Münchener Biennale mit „Searching for Zenobia“ eine Oper zur Uraufführung, die die bewegende Geschichte zweier syrischer Frauen erzählt: Leyla findet das Tagebuch der im Sterben liegenden Mutter Zeina, die als syrische Archäologin Palmyra und die Historie der antiken Königin Zenobia erforschte, bevor sie vor dem Krieg fliehen muss. Schnell taucht die Tochter in die Lebensgeschichte der Mutter ein, in deren Tagebucheinträgen Zenobia zur stetigen Präsenz wird. Ein intimer Dialog zwischen Königin und Mutter entsteht. Unter Bezugnahme syrischer Vokal- und Perkussionsensembles erarbeitet Ronchetti ein tiefsinniges Werk für den Staatschor und das Staatsorchester Braunschweig, das der Produktion Pate steht.

Nicht minder faszinierend ist die 1706 geborene französische Mathematikerin, Physikerin, Philosophin und Übersetzerin Émilie du Châtelet, die gemeinsam mit Voltaire arbeitete und wichtige Werke der Naturwissenschaften ins Französische übersetzte. Kaija Saariaho erzählte deren Geschichte in ihrer 2010 uraufgeführten Oper „Emilie“. Kern des Monodramas ist der Gedankenfluss der 42-jährigen Emilie, die ahnt, dass sie die bevorstehende ­Geburt ihres Kindes nicht überleben wird und daher Tag und Nacht an der Übersetzung von Isaac Newtons „Principia“ arbeitet. Dabei sinniert die Wissenschaftlerin über ihr Leben und das ihres Kindes, über die Liebe und über das Glück. Das Staatstheater Mainz adaptiert diese berührende Oper Saariahos in einer Neuinszenierung.

Den Fokus mehr auf selbst- und bodenständiges Handeln wirft die Komische Oper Berlin, die den 1960 mit der Musik von Gerd Natschinski versehenen DDR-Operetten-Klassiker „Messeschlager Gisela“ aufführt, kongenial besetzt mit Gisa Flake als Modeverkäuferin und -schöpferin Gisela, die sich gegen ihren Chef, den Betriebsleiter der Firma „Berliner Schick“, Robert Kuckuck, durchsetzen muss. Dieser hält sich in Fragen der Modegestaltung für das Maß aller Dinge, doch Giselas Schöpfungen werden sich als Messeschlager in Leipzig herausstellen, die den Frauen um ein Vielfaches besser gefallen. Aber auch das Nationaltheater Mannheim blickt mit Donizettis „Rita“, dessen gleich­namige Titelfigur sich hemdsärmelig gegenüber ihrem männlichen Umfeld durchsetzt und erfolgreich ihr Gasthaus führt, komischen Auges auf die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Frau.


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