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Opern-Tipps im September 2023

Saisonstart mal anders

Altbekanntes präsentieren oder Neues wagen? Diese Frage stellen sich Opernhäuser vor jedem Saisonstart.

vonAndré Sperber,

Bezüglich der Frage, wie man die neue Spielzeit angemessen einleiten sollte, stehen die Verantwortlichen der Opernhäuser jährlich vor einer verzwickten Entscheidung: Mit Altbekanntem auf Nummer sicher gehen oder mit Mut zum Risiko Ungewöhnliches wagen? Dass ein Großteil der bundesweiten Theater auch in diesem Jahr für ihre Eröffnungspremieren auf Werke von Puccini zurückgreift, ist wenig verwunderlich. Allein „La Bohème“, die als Teil der sogenannten ABC-Opern („Aida“, „Bohème“, „Carmen“) in der Regel volle Ränge garantieren sollte, gelangt im September gleich dreimal zur Neuproduktion (Kiel, Schwerin und Dortmund). Doch auch Wagner’sche Urgesteine stehen als sicherer Publikumsmagnet zur Eröffnung diesmal hoch im Kurs. Hannover, Düsseldorf und Minden warten mit „Parsifal“, Wiesbaden mit „Lohengrin“ auf.

Wer nicht wagnert, der nicht gewinnt, sagt man sich auch am Meininger Staatstheater. Dennoch verlässt man hier zugleich die ausgetretenen Pfade, indem man statt der bewährten Rezeptur das weniger populäre Repertoire aus Wagners ­Feder auf den Plan setzt. „Die Feen“, die vom Komponisten selbst als solche deklarierte „Jugendsünde“, finden zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte Einzug in Meiningen. Damit setzt der frisch gebackene GMD, der junge Ire Killian Farrell, gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit ein klares Statement: Wir erweitern gern unseren Horizont und große Musik ist da, um gehört zu werden. Als Regisseurin konnte die Südkoreanerin Yona Kim gewonnen werden.

Breite Genrepalette in Wuppertal

In Wuppertal, wo nach siebenjähriger Dienstzeit von Berthold Schneider nun die bisher als Regisseurin und Sopranistin wirkende Amerikanerin Rebekah Rota die Opernintendanz übernimmt, begeht man die neue Spielzeit in der Alten Glaserei mit Gegenwartsmusik von Du Yun. In ihrer Oper „Angel’s Bone“ aus dem Jahr 2018 bedient sich die chinesische Komponistin einer breiten Genrepalette, die von Klassik über Punk bis hin zum Kabarett reicht. So bunt die Stilmischung sein mag, so düster ist allerdings die Geschichte, die sie erzählt: eine Parabel über zwei gefallene Engel, die dem Menschenhandel und moderner Sklaverei zum Opfer fallen.

Ebenfalls unkonventionell ist der Saisonstart an der Oper Leipzig, und das sogar im doppelten Sinne: Denn nicht nur die Stückauswahl liegt mit Sir Peter Maxwell Davies’ zweiteiligem Kammeropernabend „Majesty & Madness“ fernab des üblichen Kanons. Durch Modernisierungsmaßnahmen auf der Bühne wird die Inszenierung von Chefdramaturgin Marlene Hahn kurzerhand in den Zuschauerraum des Saals verlegt. So befindet sich das Publikum quasi mitten in der Szenerie, wenn King George III. (Franz ­Xaver Schlecht) mit fortschreitender Geisteskrankheit vor sich hin monologisiert oder wenn die bedauernswürdige Miss Donnithorne (Marie-Luise Dressen) in ihrer Einsamkeit zwischen Kummer und Wahnsinn vergeht.

Explosives Musiktheater zur Saisoneröffnug

Zeitgenössische Klänge der explosiven Art prägen auch die Eröffnungspremiere am Theater Bremen. Wer hier nach einem Kinobesuch mit dem aktuellen Christopher-Nolan-Blockbuster „Oppenheimer“ tiefer in die Thematik einsteigen möchte, findet in „Doctor Atomic“ das entsprechende musiktheatrale Pendant. Der Zweiakter von Komponist John Adams setzt sich tiefenpsychologisch mit der Geschichte des „Vaters der Atombombe“ J. Robert Oppenheimer auseinander, beleuchtet insbesondere die Phase zur Durchführung des ersten Atombombentests der Menschheitsgeschichte am 16. Juli 1945 in der Wüste des US-Bundesstaats New Mexico. Erstmals aufgeführt wurde das Werk 2005 in San Francisco, in Bremen steht es nun in der szenischen Verantwortung von Frank Hilbrich.




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