Schwimmende Seebühnen, abgelegene Burgruinen und schroffe Steinbrüche. Um die bei schönem Sommerwetter so beliebte Kombination aus Frischluft und Opernklängen vollends erleben und genießen zu können, zieht es Künstlerschaft und Publikum mitunter an die originellsten Orte. Doch auf der Suche nach dem magischen Ambiente für großes Musiktheater sind die schönsten – und oft auch spektakulären – Kulissen manchmal schlicht da zu finden, wo sonst tagtäglich tausende Menschen ein und aus gehen: mitten in der Innenstadt.
Unter den strengen Blicken des Löwen
Gleichermaßen als geschichtliches wie geografisches Zentrum der Stadt befindet sich im Herzen Braunschweigs etwa der Burgplatz, der, umringt von wuchtigen historischen Fassaden, direkt in die Zeit von Heinrich dem Löwen entführt. Im 12. Jahrhundert nämlich erbaute der Herzog am Ostende des Platzes seine Residenz, die Burg Dankwarderode, die dem Platz heute seinen Namen verleiht. Davor thront erhaben auf steinernem Sockel sein bronzener Löwe, Wahrzeichen und stolzes Wappentier der Stadt Braunschweig. Unermüdlich wacht er über das mürbe Pflaster und über die Menschen, die darauf seit Hunderten von Jahren ihrer Wege gehen. Zu seiner Rechten gemahnt der Sächsische Westriegel des Doms zur Ehrfurcht, gegenüber erzählen Fachwerksgemäuer mit reich geschnitzten Figurenfriesen von alten Zeiten. Hier, inmitten dieser eindrucksvollen Kulisse, findet seit 2003 regelmäßig ein Opernspektakel unter freiem Himmel statt, wenn sich das ansehnliche Karree historischer Baukunst als Außenspielstätte des Staatstheaters in eine tosende Opernarena verwandelt. In diesem Sommer findet Verdis dramma lirico „Il trovatore“ Einzug am Burgplatz, inszeniert von Jan Eßinger. GMD Srba Dinić leitet das Braunschweiger Staatsorchester.
Steinerne Stufen und himmlische Musicals
Auch in Erfurt nutzt man jeden Sommer die speziellen baulichen Gegebenheiten der Altstadt für ein Opernfest der besonderen Art. Siebzig Steinstufen führen vom Erfurter Domplatz hinauf zum gewaltigen Dom, der, auf einem Berg thronend, über achtzig Meter in den Himmel emporragt, von Angesicht zu Angesicht mit den drei markanten Spitztürmen der nebenliegenden Severikirche. Dieses altehrwürdige Panorama aus Turmspitzen, gotischen Bögen, kunstvollen Hochchorfenstern, Sandsteinfassaden und Kupferdächern, das sich vom Domplatz aus vor den Augen des Betrachtenden zusammensetzt, bildet den Prospekt der kaskadenförmigen Musiktheaterbühne, welche sich wiederum direkt auf den besagten Domstufen befindet. Bereits seit 1994 tragen die heute berühmten Domstufen-Festspiele das besondere Sommeropern-Flair in die Erfurter Innenstadt. In der diesjährigen Ausgabe allerdings steht trotz ewig bedeutungsschwerer Kulisse mit Jerry Bocks Musical „Anatevka“ die leichte Muse Patin für das Festival.
Ähnlich verhält es sich in Augsburg, wo mit einer Neuinszenierung von Alan Menkens spaßig-rasantem Nonnenklassiker „Sister Act – ein himmlisches Musical“ ebenfalls ein Open-Air-Musical in den Startlöchern steht. Das Rote Tor, dessen massiver Turm die rund 2 .100 Plätze der anliegenden halbrunden Tribüne überragt, und der gewissermaßen zum Backstagebereich der Spielstätte gehört, diente hier einst als südlicher Durchgang der ehemaligen Augsburger Stadtbefestigung. Die Überreste der mittelalterlichen Wallanlagen sowie die am Fuße des Turms befindliche Bastion integrieren sich heute wirkungsvoll in das Bühnenbild einer der größten Freilichtbühnen Süddeutschlands.