Shakespeares Dramen auf die Opernbühne zu hieven, verlangt vom Komponisten ein Genialitätsniveau, das zumindest annähernd mit jenem des Mannes aus Stratford-upon-Avon vergleichbar ist. Kann es das überhaupt geben? Aber ja! Der Italiener Giuseppe Verdi, des Dichters englischer Landsmann Benjamin Britten und der deutsche Aribert Reimann haben es gewagt, Hand anzulegen an die ewige Kunst des Meisters von Tragödien wie Komödien. Zwei dieser Übertragungen vom gesprochenen ins gesungene Wort führen die Parade der Premierenhöhepunkte im neuen Jahr an.
An der Hamburgischen Staatsoper wird Calixto Bieito seine Verdi-Trilogie am 19.1. fortsetzen und sich nach „Otello“ und „Messa da Requiem“ nun an den „Falstaff“ wagen. Dessen Titelfigur ist voll des Eigenlobes über den eigenen Bauch. Dieser Wanst steht für ungebrochenen Hedonismus, fürs ungehemmte Schlemmen auch noch dann, wenn die eigene Geldbörse das eigentlich gar nicht mehr zulässt, für die Einbildung der Unwiderstehlichkeit körperlicher Vorzüge, die der dicke Alte als junger Page einstmals wohl tatsächlich gehabt haben muss. Dank der prominenten Besetzung mit dem stimmlich wie körperlich imposanten italienischen Bariton Ambrogio Maestri muss dieser Falstaff-Bauch diesmal wohl kaum zusätzlich aufgepolstert werden. Kurz vor Probenbeginn heißt es, Kleindarsteller extrem korpulenter Bauart und mit selbstsicherem Auftreten würden für die Neuproduktion in Hamburg noch gesucht. Macht Bieito die Fleischesfülle vollends zum Konzept?
Erotischer Reigen des Begehrens und Enttäuschens
Shakespeares fraglos filigran feingliedrigeres Komödienpersonal bevölkert „A Midsummer Night’s Dream“, das wie kaum ein anderes Werk der Weltliteratur Musik zu atmen scheint. Da tanzen Elfen des Nachts im sommerlich verzauberten Wald und singen die Feenkönigin Titania in den Schlaf. Musik begleitet die Hochzeitsfeier des Königspaars Hippolyta und Theseus sowie der jungen Liebespaare Hermia und Lysander auf der einen und Helena und Demetrius auf der anderen Seite – wenn sie sich nach einem erotischen Reigen des Begehrens und Enttäuschens, der Verwechslungen und Verwirrungen in der Mittsommernacht letztlich gefunden haben. Mit Benjamin Brittens leichtfüßig vielsagender Vertonung setzt Generalmusikdirektor Donald Runnicles an der Deutschen Oper Berlin am 26.1. seinen Zyklus mit Opern des bedeutendsten englischen Komponisten nach Henry Purcell fort. Es inszeniert der junge Amerikaner Ted Huffman.
Vergleichbar verrückte Liebeswirren rollt Joseph Haydn in seiner Oper „Orlando Paladino“ auf. Die hat zwar leider nicht Shakespeare erfunden, sondern der nur wenig ältere Ludovico Ariosto in seinem Renaissance-Epos vom Rasenden Roland. Am 19.1. bringt das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen die vor Geist sprühende heroisch-komische Oper heraus.