Startseite » Oper » Späte Rehabilitierung eines Wunderkindes

Premiere: Korngolds „Die tote Stadt“ in Kiel

Späte Rehabilitierung eines Wunderkindes

Neuer Generalmusikdirektor Benjamin Reiners feiert in Kiel seinen Einstand mit Korngolds Oper „Die tote Stadt“.

vonMaximilian Theiss,

Als „die stärkste Hoffnung der neuen deutschen Musik“ bezeichnete Giacomo Puccini den damals erst 23-jährigen Erich Wolfgang Korngold. Zu dieser Zeit, 1920, stand dessen erste abendfüllende Oper „Die tote Stadt“ kurz vor der Uraufführung. Der junge Komponist, der schon als Jugendlicher die Wiener Musikszene aufgewirbelt hatte, genoss noch den Ruf des Wunderkindes, das gerne mit Mendelssohn oder Mozart verglichen wurde. Nach den Uraufführungen in Hamburg und Köln wähnte man das Wunderkind zum vollendeten Komponisten herangereift, doch die zweite abendfüllende Oper – erneut im Geiste der Spät­romantik verfasst – stieß auf sehr zurückhaltende Reaktionen seitens der Kritik, die sich Ende der Zwanzigerjahre bereits der Zwölftonmusik eines Schönberg, dem Neoklassizismus eines Strawinsky oder dem Musiktheater eines Kurt Weill zugewandt hatte.

Ironischerweise war es zu Beginn des 21. Jahrhunderts just die kompositorische Nähe zu den Spätromantikern Strauss und Puccini, die die Korngold-Renaissance herbeiführte. In diesem Vergleich offenbart sich der wahre Genius des ­jüdischen Komponisten, der in den Dreißigerjahren vor den Nazis floh, in die USA emigrierte und dort als Filmkomponist zu bemerkenswertem Erfolg, nicht jedoch zu Ruhm fand: Damals unterschied man zwischen Filmkomponisten und „seriösen“ Komponisten. Gegenwärtig findet zwar „Die tote Stadt“ beileibe nicht so oft wie Puccinis „Tosca“ und „Das Wunder der Heliane“ nicht so oft wie „La Bohème“ den Weg auf die Opernbühne. Doch von einer nur vorübergehenden Korngold-Mode kann man schon lange nicht mehr sprechen angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren praktisch alle namhaften Opernhäuser den Komponisten auf den Spielplan setzten – mit wenigen Ausnahmen wie der New Yorker Met (die gleichwohl schon 1921 „Die tote Stadt“ zur Aufführung gebracht hatte).

„Die tote Stadt“ in Kiel

Nun ist Korngolds romantisch-expressionistischer Klangrausch auch in Kiel zu erleben. Für den neuen Generalmusikdirektor Benjamin Reiners wird dies seine erste reguläre Premiere am Haus sein (im Sommertheater der Oper Kiel dirigierte er bereits Verdis „Aida“) – für einen Einstand zwar nicht gerade ein leichtes, dafür aber ein in vielerlei Hinsicht hochspannendes Sujet.

Termine:

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!