Die Oper bietet somit auch ausreichend Material für einen Regie-Zugriff, der mindestens die Beziehungen psychologisch glaubhaft macht und im Bestfall sogar eine sinnige Übertragung in die politischen Ränkespiele einer anderen Epoche, beispielsweise unserer Zeit wagen könnte. David Alden, der früher so kluge und oft so grimmige Regie-Revoluzzer, bietet aber auch in Teil 2 der Trilogie nur Stehtheater allzu läppischer Bauart. Man wähnte sich in der xten Wiederaufnahme einer ollen Inszenierung, in der mal ein paar neue Sänger gastieren – und wohnte nun an der Dammtorstraße dennoch der Premiere bei. Über weite Strecken ungeprobter Rampensingsang also, den man, sich der Entdeckung des Stücks erfreuend, klaglos hinnehmen würde, wären I due Foscari denn rundum exzellent besetzt. Die Bilanz fällt freilich gemischt aus.
Nach einem arg forcierten, höhenengen Beginn sang sich Guiseppe Filianoti als junger Held Jacopo zunehmend frei. Sein bestrickend schönes Timbre darf dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in dieser Partie am Limit seiner grundlegend lyrischen Stimme singt und denn auch immer wieder an diese Grenzen gerät. Ein echter, auch im reinen Wortsinn nobler Verdi-Bariton steht mit Andrzej Dobber als Francesco auf der Bühne. Die hohe Tessitura macht ihm mitunter zu schaffen, doch hier schreitet ein denkender Sänger die Palette der Farben und der Dynamik, die Verdi ihm vorgeschrieben hat, vollends und sehr kultiviert aus. Die Primadonna des Abends allerdings lässt all diese Qualitäten schmerzlich vermissen. Denn Amarilli Nizza als Lucrezia verwechselt pure Phonstärke mit dramatischer Gestaltung. Ihr Gesang ist zwar durchaus imposant. Verwaschene Verzierungen, ungefähre Intonation und die für eine Italienerin erschreckend quallige Textbehandlung haben mit Verdi-Gesang nichts zu tun. Ihr ausladender, nur oberhalb des Forte anspringender Spinto-Sopran wurde in den Duetten immer wieder zum kaum kalkulierbaren Risikofaktor. Statt des von Simone Young angestrebten Verdi-Feinschliffs wurde in der Premiere überhaupt viel zu oft „al fresco“ musiziert. Deutlicher Pluspunkt hingegen: Der Staatsopern-Chor unter seinem neuen Chef Eberhard Friedrich hat schon nach wenigen Wochen gemeinsamer Arbeit an Homogenität, Transparenz und Wucht enorm gewonnen. Aus diesem Grunde zumindest ist Vorfreude auf Teil 3 der Trilogie angesagt: I Lombardi (ab 10. November) ist schließlich eine Choroper im Stile und direkten Nachgang des Nabucco.
Hamburgische Staatsoper
Verdi: I due Foscari
Ausführende: Simone Young (Leitung), David Alden (Inszenierung), Charles Edward (Bühnenbild), Brigitte Reiffenstuel (Kostüme), Amarilli Nizza, Giuseppe Filianoti, Andrzej Dobber, Ziyan Atfeh, Philharmoniker Hamburg
Termine: 30.10., 2.11., 16.11., 21.11., je 19:30 Uhr