Die Anhäufung bestimmter liturgischer oder zumindest von religiösen Sujets durchzogener Musikwerke rund um das Osterfest liegt auf der Hand und gehört zur festen Tradition: Von irgendwoher erschallt dieser Tage immer eine Passion oder ein prachtvoll beseelter Karfreitagszauber. Doch in diesem April sind es nicht nur Bach und Wagner, die geistliches Gedankengut in unterschiedlichsten Formaten auf die (Opern-)Bühnen tragen.
Die Idee, großen geistlichen Oratorien zusätzlich zur musikalischen auch eine szenische Ebene zu verleihen und sie damit operntauglich zu machen, ist keinesfalls neu. Im England des 18. Jahrhunderts wurden diese Werke tatsächlich – wenn auch weiterhin konzertant – vorwiegend in Opernhäusern aufgeführt. Georg Friedrich Händel etwa wurde bei der Londoner Erstaufführung seines berühmten „Messias“ im Covent Garden Theatre gar der Blasphemie bezichtigt, da er die Worte der Bibel in theatrale Kontexte stellte. In Meiningen soll der „Messias“ nun ohne blasphemische Hintergedanken von Regisseur Johannes Pölzgutter in Szene gesetzt werden, der sich dabei vor allem auf die Frage der Nächstenliebe in der heutigen Zeit konzentriert.
Von Schöpfung und Tod
Alttestamentarischer, zumindest hinsichtlich der thematischen Vorlage, geht es dagegen im schweizerischen Basel zu: Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ erzählt die biblische Genese der Weltgeschichte und wird wiederum von Regisseur Thomas Verstraeten unter fleißiger Zuarbeit von Schülerinnen und Schülern der Region in einen Alltagsmythos verwandelt. Für den musikalischen Part des zweiteiligen Abends, der einer räumlichen Entwicklung folgend im Foyer beginnt und erst später in den großen Saal übergeht, sorgt neben dem Schul- und dem Theaterchor das La Cetra Barockorchester unter der Leitung von Jörg Halubek.
Wiederum als Transformation einer liturgischen Totenmesse in eine szenische Gemeinschaftsproduktion von Oper und Ballett hatte der Choreograf und Regisseur Christian Spuck 2016 in Zürich Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ in ein großformatiges Oratorium verwandelt und auf die Opernbühne gebracht. In den bildgewaltigen Szenen fokussiert Spuck allerdings weniger den religiösen Kontext, sondern vielmehr die allgemeine Darstellung der menschlichen Gefühle bei der Auseinandersetzung mit dem Tod. Die äußerst erfolgreiche Produktion ist nun mit dem Berliner Staatsballett an der Deutschen Oper Berlin zu erleben.
Kirchen-Parabeln und göttliche Anklänge
Keine in Szene gesetzten Oratorien, sondern eigens für die Aufführung in einer Kirche komponierte Operneinakter sind in Frankfurt am Main zu erleben: Brittens gattungstechnisch höchst eigenwillige Kirchen-Parabeln „The prodigal Son“ („Der verlorene Sohn“) und „The burning fiery Furnance“ („Die Jünglinge im Feuerofen“) berufen sich jeweils auf biblische Gleichnisse. Die 1966 und 1968 in der Pfarrkirche des ostenglischen Ortes Orford uraufgeführten Werke setzen vom Komponisten eine Aufführung im „quasi-liturgischen“ Rahmen und eine stark formalisierte Darstellung des Geschehens voraus. In Frankfurt ertönen die außergewöhnlichen Stücke unter der szenischen Verantwortung von Manuel Schmitt jedoch nicht in einer Kirche, sondern im Bockenheimer Depot, dem ehemaligen Betriebshof der Frankfurter Straßenbahn.
Ebenfalls weniger religiös konstituiert, dafür aber ähnlich außergewöhnlich zeigt sich außerdem die vierteilige „Oper“ „Der Klang der Offenbarung des Göttlichen“ in Stuttgart, die sich in ihrer künstlerischen Gestaltung irgendwo zwischen Konzert, Theater und bildender Kunst bewegt. Einmalig an diesem Werk ist zweifelsohne die Tatsache, dass hier keinerlei Darsteller auf der Bühne agieren. Stattdessen bewegen sich lediglich hypnotische, von der gewaltigen Erdennatur inspirierte Bühnenbilder von Ragnar Kjartansson zu der orchestral und choristisch groß angelegten Musik des Komponisten Kjartan Sveinsson.