Kohlenkellertiefe, rabenschwarze Bässe leihen dem Zaren ihre Stimme. Gewaltige Chöre singen vom immerwährenden Leiden des Volkes. Zwiebeltürme schmücken die Bühne. Lange lebte die russische Oper vom Klischee und setzte sich im Westen letztlich nur mit wenigen Meisterwerken durch. Wirklich Eingang ins Repertoire fanden nur Tschaikowskys „Eugen Onegin“, Mussorgskis „Boris Godunow“ und Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“.
Zum Kanon des Musiktheaters gehören zudem natürlich die immergrünen Ballettklassiker. Aber würden wir einen Titel wie „Die Verlobung im Kloster“ wirklich zweifelsfrei in Russland verorten? Es mag an der relativ späten Ausprägung eines nationalen Opernstils liegen, dass das Kulturland am östlichen Rand Europas bislang kaum in die Mitte des weltweiten Operngeschehens vorgedrungen ist. Erst Michail Glinka schuf ab den 1830er Jahren einen so deutlich eingefärbten Stil, dass er zum Vater der russischen Oper mutierte. Lange hatten westliche Moden zuvor die kulturelle Entwicklung von St. Petersburg oder Moskau deutlich dominiert.
Russische Opern rücken verstärkt in den Fokus
Seit Intendanten und Regisseure nach immer neuen Nüssen suchen, die sie mit ihren Interpretationen knacken können, gerät auch die russische Oper frisch und verstärkt in den Fokus. An der Staatsoper Berlin ist derzeit sogar ein eigener kleiner Saisonschwerpunkt als Blick in den Osten zu entdecken. Sergej Prokofjew ist hier mit gleich zwei humorsprühenden Werken zu erleben. Als er im Frühjahr 1940 mit dem Sujet einer Verwechslungskomödie aus dem späten 18. Jahrhundert bekannt wurde, zeigte er sich sofort animiert, daraus ein Bühnenwerk zu formen: „Das ist ja wie Champagner! Daraus ließe sich eine Oper im Stile von Mozart oder Rossini machen.“
Das Bekenntnis zu westlichen Vorbildern tut seiner pointiert geistreichen, enorm charmanten Musik keinen Abbruch. „Die Verlobung im Kloster“ mit all ihren Verwirrungen und Verwicklungen wird Starregisseur Dmitri Tcherniakov mit seiner starken Handschrift prägen, Daniel Barenboim dirigiert höchstselbst. Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ folgt als lebendiges Märchen- und Maskenspiel mit allerhand Prinzessinnen und Prinzen. Das Stück wird von den jungen wie erfahrenen Protagonisten des Kinderopernhauses Unter den Linden neu befragt.
Griechische Antike trifft auf das Alte Testament
Märchenhaft und komisch geht es auch an der Bayerischen Staatsoper zu, wenn der vom Film kommende und immer wieder fulminant in Operngefilden wildernde Axel Ranisch den Doppelabend mit Strawinskys Opera buffa „Mavra“ und Tschaikowskys Schwanengesang „Iolanta“ im schnuckeligen Cuvilliés-Theater garantiert gewitzt in Szene setzt. Wiederum mit einem Zweierschlag punktet die Staatsoper Hannover, die Strawinskys neoklassizistischen „Oedipus Rex“ nach Sophokles mit seiner auf Texten des Alten Testaments basierenden „Psalmensinfonie“ koppelt. Zurück zum Kern des russischen Repertoires kehrt hingegen die Deutsche Oper am Rhein. Tschaikowskys um Spielsucht, Geld und Liebesverlangen kreisendes Seelendrama „Pique Dame“ wird Lydia Steier in Düsseldorf auf die Bühne bringen.