Drei Wege führen in die Philharmonie am Gasteig. Die zwei Haupteingänge sind für jedermann zugänglich, der Künstlereingang indes ist – fast – unbezahlbar. Genau genommen sind 13 000 Euro zu berappen, um den Saal für einen Abend nutzen zu können. Im Februar wird nun das Abaco-Orchester diesen dritten Weg beschreiten – was an sich nichts Besonderes wäre, schließlich gehen Jahr für Jahr viele Musikensembles durch diese Pforte.
Allein: In diesem Fall handelt es sich um studentische Laien, die Münchens größten Konzertsaal bespielen wollen und dafür (fast) keine Kosten scheuen.
Das nötige Kleingeld für die Saalmiete haben die Musiker mittels Crowdfunding – Spenden, die über das Internet eingeworben worden – eingesammelt. Eindrucksvoll – trotzdem: Hätte nicht auch ein kostengünstigerer Auftrittsort genügt? Dirigent Joseph Bastians Antwort ist ein klares und unmissverständliches Nein: Wo sonst hätte man denn Mahlers zweite Sinfonie aufführen sollen, die neben einem Orchester spätromantischen Ausmaßes auch noch einen monströsen Chor verlangt?
Mahlers Zweite?! Angesichts eines Werks, das selbst große professionelle Orchester ins Schwitzen bringt, stellt sich ein zweites Mal die Frage: Hätte es nicht auch eine Nummer kleiner sein können? Das erneute klare Nein ergibt sich diesmal schon aus dem Blick in vorherige Programme des Ensembles, die vor allem Werke der Spätromantik und der Moderne offenbaren: So würdigten die Musiker das Strauss-Jahr mit ausgewählten Orchesterliedern des Garmischer Komponisten oder feierten 2013 das eigene 25-jährige Bestehen mit Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen.
Übermütig? Auch Studenten haben hohe Ansprüche
„Eigentlich ist Mahlers Zweite im Vergleich zu den anderen Werken vom technischen Aufwand her machbar – man muss halt sehr viel hören“, wiegelt denn auch Violinistin Lioba Grundl Gedanken ab, hier könnte sich ein Laien-Ensemble übernehmen. Und Konzertmeisterin Miriam Schulz ergänzt: „Außerdem sind die musikalische Qualität und die Ansprüche des Orchesters relativ hoch, waren doch viele Musiker einst Mitglieder von Landesjugendorchestern.“ Hinzu kommt, dass nahezu jedes Mitglied eine feste Funktion inne hat – von der Organisation der Party nach dem Konzert über die Betreuung der Finanzen bis hin zu so banalen wie notwendigen Aufgaben wie dem Stühlerücken vor den Proben. So lassen sich selbst Großereignisse stemmen.
Rein studentisch ist das Abaco-Orchester übrigens nicht, wirken doch auch Ehemalige mit, die nach ihrer Ausbildung im Münchner Raum eine Arbeitsstelle gefunden haben. Für Bastian sind diese Mitglieder eine wichtige Stütze: „Sie bewahren gewissermaßen den Kern des Orchesters, schließlich kommen jedes Semester neue Mitglieder dazu, während andere wieder gehen. So ist über die Jahre gewährleistet, dass wir trotz der hohen Fluktuation eine individuelle Spielkultur entwickeln können.“ In der Tat offenbart die Orchesterprobe einen erstaunlich schlanken, luziden Klang, während der Mann am Pult penibel darauf achtet, dass selbst kleinste Nuancen hörbar werden.
Hauptberuflich ist der Franzose übrigens Bassposaunist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Doch Dirigieren wird er wohl studiert haben, oder? „Nein, gar nicht! In meinem Studium habe ich mich natürlich mit Partituren und Kompositionslehre befasst, aber mit dem Dirigieren beschäftige ich mich erst, seit ich mich auf das Vordirigat hier vorbereitet habe.“ Seit seinem Antritt 2011 hat Bastian indes zahlreiche Kurse besucht, begegnet zudem über die BR-Symphoniker den größten Dirigenten der Welt. Und die Philharmonie im Gasteig ist dem Posaunisten ohnehin wohl vertraut – natürlich durch den Künstlereingang.