Alte Musik goes Volksmusik. Das ist die wohl spannendste Entwicklung in der Aufführungspraxis der vergangenen Jahre. Nicht nur, weil man sich damit ein ganz neues Publikum erschlossen hat Sondern auch, weil man so ganz nebenbei sehr elegant einem Vorwurf begegnen kann, der den Vertretern der historischen Aufführungspraxis immer wieder gemacht wird: Ihre Kunst sei zu akademisch, kalt, intellektuell und weit weg von echter Musikalität. Das kann nun keiner mehr sagen. Wie lebendig, frisch und improvisierend ist insbesondere die Musik des Barock durch diese Bewegung geworden. Wie belebend wirken die Lust an der Improvisation und die Entdeckung der tänzerischen Qualität dieser Musik. Zumal in solchen Ensembles, die diese Besinnung auf die Wurzeln ihrer Musik mit einem genauen Quellenstudium verbinden.
Zu den interessantesten Vertretern dieser Entwicklung zählen der spanische Gambist Fahmi Alqhai und sein Ensemble Accademia del piacere. Die 2004 gegründete Formation hat genau den richtigen Namen für das gewählt hat, was sie tut, er verbindet die altehrwürdige Einrichtung der Akademien, in denen seit dem 16. Jahrhundert antike Wissenschaft und Philosophie gepflegt wurde, mit dem musikalischen Gebriff für das Spielerische, Vergnügliche. Die Accademia del Piacere versucht stets, ganz dicht bei dem zu bleiben, was den Urhebern der Musik vor Jahrhunderten vorschwebte. Und das gelingt ihnen perfekt, wie ihre letzte CD mit Monteverdi-Werken zeigte.
Trotz ihres italienischen Namens ist die Accademia del piacere ein überwiegend spanisches Ensemble. Fahmi Alqhai selbst, Sohn eines Syrers und einer Palästinenserin, stammt aus Sevilla, die Sopranistin Marivi Blasco aus Valencia, Lautenist Enrique Solinis aus Bilbao und Pedro Estevan, der vielleicht beste Perkussionist der Alte-Musik-Szene, aus Madrid. Und die deutsche Gambistin Johanna Rose beendete immerhin ihr Studium in Sevilla. Was genau der richtige Ort für das neueste Programm der Formation ist. Denn zur Zeit widmet man sich den eigenen, spanischen Wurzeln: mit dem andalusischen Flamenco, der seine Wurzeln in eben der Zeit hat, auf die sich das Ensemble spezialisiert hat, dem 16. und 17. Jahrhundert. In Spanien trafen damals Zigeuner, die seit dem 15. Jahrhundert eingewandert waren, auf eine einzigartige Mischung arabischer und westlicher Musik, zu denen sich bald noch Elemente afrikanischer und amerikanischer Musik gesellen sollten. Und mancher glaubt, dass die eingewanderten Zigeuner, die den Flamenco für lange Zeit bestimmen sollten, auch Elemente indischer Musik aus ihrer Heimat einbrachten. Eine Musik des Volkes fürs Volk, die sich weit ab von der Kunstmusik der Zeit vor allem auf Festen und Feiern entfaltete. Wie sie sich dabei mit und gegen barocke Musikstile entwickelte, das erspürt das Flamenco goes Barock-Programm des Ensembles.
Unterstützt werden die Musiker der Accademia del Piacere dabei von ihrem Landsmann Francisco José Arcángel Ramos, der als einer der führenden Flamenco-Sänger Spaniens gilt. Der 1977 geborene Künstler arbeitet schon seit Jahren immer wieder mit klassischen Ensembles zusammen,
In dem Programm, das die Musiker zuerst 2011 in Granada vorgestellt haben, darf der spanische Basstanz „La Spagna“ ebenso wenig fehlen wie die „Folia“, aus den damaligen Kolonien begegnen sie der Milonga oder Guaracha.