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Porträt Äneas Humm

Wunderkind wider Willen

Der junge Bariton Äneas Humm hat bereits viele Stationen hinter sich und steht trotzdem erst am Anfang seiner vielversprechenden Karriere.

vonAndré Sperber,

Kraftvoll und durchdringend flutet der sonore Baritonklang die leeren Reihen. Obwohl Äneas Humm noch so jung ist, liegt in seiner Stimme doch so viel Lebenserfahrung, so viel innere Tiefe. „Der Liebsten“ aus Viktor Ullmanns Liederzyklus „Der Mensch und sein Tag“ schmachtet schmeichelnd und liebend, kraftvoll und zärtlich zugleich dahin. Seinem Gesang hier im Sendesaal Bremen während der Aufnahme seiner neuen CD ein wenig lauschen zu können, ist ein Genuss – erst recht nach all den Monaten des coronabedingten Livemusik-Entzugs eine wahre Wohltat.

Die absolute Freiheit

„Es gibt nichts, was mich glücklicher macht, als Lieder zu singen“, schwärmt Humm beim anschließenden Gespräch im Aufnahmeraum; seine positive, freundliche Ausstrahlung ist auch trotz Corona-Maske sofort spürbar. „Weil man beim Lied diese absolute Freiheit hat: Man kann so viele musikalische Facetten ausprobieren und experimentieren wie sonst nirgends.“ Äneas Humm, für den neben der Musik auch der Humor mit an oberster Stelle steht, hat für sein Alter schon viel erreicht, und doch steht er noch ganz am Anfang seiner verheißungsvollen Karriere.

Natürlich spielt für ihn neben dem Lied auch die Oper eine immer wichtiger werdende Rolle. Gerade erst im September 2020 hat er sein festes Engagement am Badischen Staatstheater Karlsruhe angetreten. Seither wartet er sehnsüchtig darauf, wieder vor Publikum spielen und endlich sein Debüt als Papageno geben zu können. Bereits im Jahr zuvor, kurz vor dem kulturellen Shutdown, hatte er im Deutschen Nationaltheater Weimar mit der Arbeit an Mozart-Rollen wie dem Masetto in „Don Giovanni“ und Guglielmo in „Così fan tutte“, aber auch als Harlekin in Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ brillieren können.

Ein Leben für die Musik

Als Spross einer schweizerisch-ungarischen Künstlerfamilie – er selbst besitzt beide Staatsbürgerschaften – wurde ihm der Drang nach künstlerischer Freiheit gewissermaßen in die Wiege gelegt. Der Vater ist Keramiker, der Onkel Schauspieler, die Mutter führte ihn ans Singen heran, sein Großvater mütterlicherseits war Bühnenbildner am Theater, sogar seine Urgroßeltern waren beide künstlerisch tätig. Verpflichtet ein solcher familiärer Hintergrund zu einer musikalischen Laufbahn? „Meine Eltern haben sich natürlich gefreut, dass ich auch in diese Richtung gehe, aber es hat mich niemand dazu gedrängt“, erzählt Humm.

Früh wird jedoch das außerordentliche Talent des 1995 geborenen, in Wädenswil am Zürichsee aufgewachsenen Sängers erkannt: Bereits mit sechs Jahren ist er Mitglied der Zürcher Sängerknaben. Von da an verschreibt er sein Leben der Musik und beginnt eine steile Karriere, die ihn schließlich mit achtzehn Jahren an die Hochschule für Künste Bremen führt, bevor er für den Zeitraum von 2017 bis 2019 an die Juilliard School in New York wechselt. Dort erhält er u. a. von Edith Wiens Unterricht und tritt während dieser Zeit sogar in der Carnegie Hall auf. Durch die thematischen Ausbildungsschwerpunkte an der Juillard School verinnerlicht er seine Zuneigung zu den Gattungen Lied und Oratorium. Einen Höhepunkt erfährt er hier im April 2019, als er sein Debüt mit Bachs Matthäus-Passion unter dem Dirigenten Peter Dijkstra gibt.

Äneas Humm: „Das Interesse an der Sache ist das eigentliche Wunder“

Schon während seiner frühen Jugend handelte die Musikwelt ihn als neues Wunderkind. Der Schweizer Rundfunksender SRF drehte sogar eine Dokumentation mit dem Titel „Äneas Humm – ein Wunderkind wird erwachsen“. „Er kann sich später auswählen, wo er singen möchte“, heißt es da von seiner langjährigen Gesangslehrerin und Mentorin Krisztina Laki, „egal ob Sydney oder Mailand.“

Äneas selbst lehnt die Bezeichnung des Wunderkinds strikt ab; er habe diesen Titel nie gemocht: „Denn jeder, der Musik macht, egal auf welchem Niveau, weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt.“ Natürlich sei auch Talent dabei, aber das brauche es auch bei jedem Piloten und jedem Arzt. „Das Interesse an der Sache ist das eigentliche Wunder, nicht der ausführende Mensch.“

Die Zeit der Krise positiv nutzen

Die Phase der Corona-Krise, die er zum größten Teil bei seinem Mann in Düsseldorf verbringt, versucht Äneas Humm nach Möglichkeit positiv für sich zu nutzen: „Ich mache viel Yoga, koche – und ehrlich gesagt genieße ich noch ein bisschen die Freizeit.“ Vor allem nach der aktuellen Produktion der neuen CD, die den von zwischenmenschlicher, körperlicher Nähe getragenen Namen „Embrace“ bekommen soll, werde wohl erst mal ein großes Loch entstehen. „Aber wir arbeiten schon an der nächsten CD. Weil ich durch Corona so viel Zeit habe, habe ich auch viele neue Lieder gelernt“, berichtet Humm. Bleibt zu hoffen, dass auch die weiteren geplanten Projekte, etwa das Rollen-Debüt des Papageno entweder in Karlsruhe oder bei der für Oktober angesetzten Neuproduktion „Zauberflöte“ im Theater St. Gallen endlich stattfinden können.

Äneas Humm stellt sein Album „Embrace“ vor:

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Album-Tipp

Album Cover für Embrace

Embrace

Äneas Humm (Bariton), Renate Rohlfing (Klavier) Rondeau

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