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Porträt Anders Hillborg

Ein Schwede mischt „das neue werk“ auf

Anders Hillborg prägt as Composer in Residence die Saison der NDR-Konzertreihe

vonHelmut Peters,

Die Idee, einen Composer oder eine Compositrice in Residence an sich zu binden, wird immer wieder gern aufgegriffen. Gerade für Ensembles der zeitgenössischen Musik eröffnen sich mit einem solchen, meist persönlich anwesenden Komponisten besondere Chancen: Die Zusammenarbeit kann im Laufe einer Saison vertieft werden, der Protagonist zudem wunderbar zu Proben und zu Gesprächskonzerten eingeladen und möglicherweise sogar zu Auftragskompositionen überredet werden – deren Uraufführungen dann wiederum internationale Aufmerksamkeit garantieren. In Hamburg hat es ein wenig länger gedauert, bis die Macher der NDR-Reihe „das neue werk“ diese Möglichkeit nun für sich entdeckt haben. Was zum einen an der über eine ganze Spielzeit verteilten, in der Quantität indes sehr übersichtlichen Folge von Veranstaltungen dieser Reihe liegt; zum anderen daran, dass hier in einer Saison sehr verschiedene Ensembles als Interpreten auftreten.

In seiner Heimat ein Superstar

 

Doch nun wird zum ersten Mal in der Geschichte des „neuen werks“ ein Composer in Residence in der Hansestadt zu Gast sein: Anders Hillborg. Der schwedische, überaus sympathische Gegenwartskomponist ist Insidern zwar längst ein Begriff, hierzulande aber der breiten Öffentlichkeit noch kaum bekannt. Was überraschend ist, denn in seiner Heimat gilt der Stockholmer längst als „Superstar“. „Wo immer ich hinreise“, sagt etwa Stefan Forsberg, Direktor des Stockholmer Konzertsaals, „preisen meine Kollegen auf der ganzen Welt Hillborgs musikalischen Einfallsreichtum.“

 

Motorik, Bewegung und Virtuosität sorgen für Kurzweil

 

Und dieser Einfallsreichtum lässt sich mit wenigen Worten skizzieren, auch wenn diese der ganzen Vielfalt von Hillborgs Schaffen natürlich nicht gerecht werden: Seine Musik ist immer kurzweilig. Viele kontrastierende Abschnitte reihen sich da aneinander, die Instrumentation ist so vielfältig und schillernd wie in einer Partitur von Richard Strauss. Immer wieder blinkt es hier und dort auf, brodelt es in den Bässen oder flackert es in den Bläsern. Und wer Stücke wie dem Orchesterwerk Clang and Fury lauscht, erkennt rasch: Motorik, Bewegung und Virtuosität gehören zu den wichtigen Ausdrucksmitteln dieses Komponisten.

 

Was keinesfalls selbstverständlich ist in der Neuen Musik, die oft aus statischen Klangflächen emporwächst und sich klassischen dramaturgischen Steigerungsmomenten gern einmal verweigert. So wandert der Hörer etwa beim Stück Eleven Gates, das die NDR-Sinfoniker und Esa-Pekka Salonen zum Auftakt der Residence aufführen, symbolisch über elf, die Atmosphäre und die Stimmungen radikal verändernde Klangbrücken: Typisch für den Skandinavier, der Grenzen nicht akzeptieren mag, dabei aber allen Inspirationen interessiert und offen begegnet.

 

Und doch hatten und haben es viele schwedische Komponisten seit jeher schwer, sich über die Grenzen ihres Landes hinaus durchzusetzen. „Die Ursachen dafür sind komplex“, meint der Musiker. „Aber eines ist sicher: Schweden hat nicht wie andere skandinavische Länder solche Ikonen vorzuweisen wie Sibelius, Nielsen oder Grieg.“ Ein anderer Grund sei – man denke nur an ABBA –, dass die Beziehung der Schweden zur Musik heute sehr stark von der Popmusik dominiert werde; allein: Ist das in Deutschland nicht ähnlich? „Vielleicht ist das Wissen und die Fähigkeit, sich mit Musik inhaltlich auch auseinandersetzen zu können“, versucht Hillborg eine diplomatische Antwort, „in Schweden verglichen mit anderen Kunstformen einfach zu schwach entwickelt.“

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