Er sei überhaupt kein moderner Mensch, verriet der ungarische Pianist András Schiff einmal. Er habe eine gewisse Angst vor Technologie, könne zum Beispiel nicht Autofahren. Wichtiger ist dem 1953 in Budapest geborenen Künstler Tradition. Er fühle sich verpflichtet und privilegiert, die großen Meisterwerke der Vergangenheit zu spielen, lebendig zu machen, immer wieder neu zu hinterfragen, den Menschen nahezubringen. So stehen bei András Schiff Komponisten wie Haydn, Mozart, Schubert, Beethoven oder Schumann im Mittelpunkt. Egal, ob er als Solist oder Kammermusiker oder auch als Dirigent und künstlerischer Leiter von Festivals auftritt. Ein Stück Musik, so betonte der in Florenz lebende Pianist immer wieder, sei keine isolierte Einheit, und das sei der Grund, warum er zyklische Aufführungen liebe. Gerade legte András Schiff eine zweite Gesamtaufnahme von Bachs Wohltemperiertem Clavier vor, er hat alle Konzerte und Sonaten von Mozart aufgenommen, alle Beethoven-Sonaten chronologisch, live, in mehreren Städten gespielt.
Ersten Klavierunterricht erhielt András Schiff mit fünf Jahren. Später studierte er an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest u.a. bei György Kurtág sowie in London bei George Malcolm. Seit seinen Erfolgen beim Tschaikowsky-Wettbewerb 1974 in Moskau und beim Klavier-Wettbewerb in Leeds 1975 war András Schiff international gefragt.
Die Verwurzelung in der Tradition heißt bei András Schiff jedoch nicht, dass er nicht hier und heute leben würde. Er ist auch ein politischer Künstler, insofern als er seine Popularität nutzt, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen. Zum Beispiel sagte er im Jahr 2000 die Teilnahme bei der Schubertiade in Feldkirch ab, um damit gegen die Regierungsbeteiligung der rechtsgerichteten FPÖ in Österreich zu protestieren. Oder: Gegen das im Winter 2010 erlassene Mediengesetz der Orbán-Regierung in Ungarn, das eine Einmischung der Politik in die Kultur ermöglicht, verfasste András Schiff gemeinsam mit anderen Künstlern eine Resolution. Seitdem gilt er in seinem Heimatland als „persona non grata“. Worauf Schiff mitteilte, er werde in Ungarn nicht wieder auftreten.
NDR kultur
präsentiert den Pianisten András Schiff in der Reihe „Die großen Stars der Musik“ im Dezember, jeweils sonntags von 18-19 Uhr