„I Turchini“, die Dunkelblauen, das waren im Neapel des 18. Jahrhunderts die Schüler des Conservatorio Pietà de’ Turchini, die als Schuluniform eben dunkelblaue Hemden zu tragen hatten. Und schon damals gab es eine Verbindung zwischen der Lehranstalt und dem Musikbetrieb: Leonardo Leo, Meister der neapolitanischen Oper, unterrichtete hier und setzte die Zöglinge in seinen Produktionen als Chorsänger ein.
Neapel konnte zu dieser Zeit als Welthauptstadt der Musik gelten: Die 300.000-Einwohner-Metropole am Fuße des Vesuvs zählte nicht weniger als vier Opernhäuser, auf deren Bühnen die Helden und die Komödianten, die Primadonnen und die Kastraten ein wahrhaft vulkanisches Spektakel entfachten – und wirklich große Musik erklang.
Das Konservatorium der Blauhemden gibt es im Neapel des 21. Jahrhunderts immer noch. Es wird ergänzt durch ein gleichnamiges Zentrum für Alte Musik, das Centro di Musica Antica Pietà de’ Turchini, und, seit 1987, durch ein Vokal- und Instrumental-Ensemble, das sich die Aufgabe gestellt hat, „feinste musikalische Wollust“ auch dem heutigen Besucher zu bereiten. Und das Angebot wird angenommen: Längst haben die Konzerte von „I Turchini“ sich zu einer Touristenattraktion entwickelt.
Gründer und Leiter der Turchini ist Antonio Florio. Er hatte Cello, Klavier und Komposition beim Filmuntermaler Nino Rota studiert, bevor er sich der historischen Aufführungspraxis widmete. I Turchini dirigiert er nicht nur, er wählt vor allem auch das Repertoire aus und bringt es überhaupt in einen sing- und spielbaren Zustand, wobei er nicht davor zurückschreckt, verlorene Stimmen zu rekonstruieren oder auch schon einmal selbst nachzukomponieren. Dabei bleibt Florio streng fokussiert auf den neapolitanischen Barock, auf längst vergessene Namen wie Francesco Provenzale, Giovanni Salvatore oder Cristofaro Caresana.
„Tesori di Napoli“, „Schätze Neapels“, hieß denn auch die Reihe, die Antonio Florio und I Turchini auf dem Schallplattenmarkt bekannt machte. Das Programm „Angeli e demoni“, das Antonio Florio im Februar in Hamburg vorstellen wird, ist wie ein Querschnitt durch sein bisheriges Lebenswerk: Arien und Instrumentalsätze ernster und komischer Opern aus dem Neapel des 18. Jahrhunderts.