Ein wahres Energiebündel ist Anastasia Kobekina schon als Kind gewesen. Am liebsten hätte sie in der Musikschule im russischen Jekaterinburg, in der ihre Mutter unterrichtete, gleich alle Instrumente spielen gelernt, erzählt die 21-Jährige Cellistin. Doch nicht alle Lehrer waren begeistert, dass die quirlige Vierjährige ständig den Unterricht unterbrach – und so blieb sie in der Cello-Klasse hängen.
„Meine Eltern sind beide Pianisten und glaubten, das sei eine gute Wahl, weil das Cello einen wunderschönen Klang hat und die Nachbarn nicht so sehr nervt und außerdem die Konkurrenz nicht so groß wäre wie etwa unter den Geigerinnen.“ Offenbar hätten damals viele Eltern so gedacht, fügt Kobekina schmunzelnd hinzu
– heute gebe es jedenfalls viele unglaublich talentierte Cellistinnen in ihrem Alter.
Konkurrenz ist also durchaus vorhanden. Fürchten muss die temperamentvolle Musikerin mit den dunklen Locken diese indes nicht, hat sie doch schon in frühen Jahren ihr Publikum begeistert. Während sie als Sechsjährige im schicken Kleid und mit Papierkrone noch vor der familiären Kamera die Saiten strich und zupfte und sich dabei fühlte wie eine „weltberühmte Cellistin“, begann das ersthafte Üben mit neun. 2006 wird Kobekina am Moskauer Konservatorium aufgenommen und sammelt in den Folgejahren auf verschiedenen Wettbewerben bereits erste Preise. Sie konzertiert mit ihrer Mutter als Duopartnerin, mit Orchestern wie der Kremerata Baltica und den Wiener Symphonikern und wird 2012 ausgewählt, an den begehrten Meisterkursen im Rahmen der Verbier Festival Academy teilzunehmen.
Erlebnisse fließen in die Musik
Wenige Monate später beginnt Kobekina dann ihr Studium an der Kronberg Academy. Hier, in dem beschaulichen Luftkurort im Taunus, kann sie sich voll auf die Musik konzentrieren, neue Energie sammeln für den nächsten Auftritt. Doch natürlich gibt es auch ein Leben neben der Musik: „Ich schließe mich nicht in einen Raum ein und übe von morgens bis abends“, erklärt der Twen mit Nachdruck. „Es ist wichtig, eine Balance zu finden: Freunde treffen, reisen, ins Museum gehen. Das alles sind Erlebnisse, die ich in meiner Musik ausdrücke.“
Mit der begeisterte Kobekina auch Publikum und Jury des Hamburger Tonali-Wettbewerbs, als sie vor einigen Wochen im Finale mit der Deutschen Kammerphilharmonie Tschaikowskys Rokoko-Variationen spielte und mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. Und zusätzlich noch den Sonderpreis „Giovanni Battista Guadagnini“ gewann – ein 270 Jahre altes Instrument aus der Werkstatt des berühmten Geigenbauers als Leihgabe. „Das Guadagnini-Cello hat einen unglaublich dunklen, körperlich reiferen Klang als alle Celli, die ich bisher gespielt habe“, schwärmt die Russin. „Schon nach drei Tagen habe ich gemerkt, wie dieses Instrument mein Spiel verändert. Jetzt nutze ich die Möglichkeit, diese neuen Farben meiner Ausdruckspalette hinzuzufügen.“
Probleme gibt es allein noch mit der Versicherung, die Sicherheitsvorkehrungen verlangt, wenn ein Cello im Wert von über einer Million Euro zu Hause lagert oder mit auf Reisen genommen wird. „Ich fühle mich, als hätte ich plötzlich ein Baby, auf das ich ständig aufpassen muss“, schmunzelt die junge Frau. „Wenn man aber eine so spannende Zeit zusammen verbringt, gebe ich gerne Acht auf Madame G“ – so lautet nämlich der Kosename, den Kobekina ihrem neuen Schützling gegeben hat. Ein Instrument, das ihr ganz neue Perspektiven eröffne – allein: „Wenn man sich etwas wünscht, soll man es nicht sagen.“ Etwas abergläubisch ist sie nämlich schon. Einen, eher bescheidenen Wunsch verrät sie dann aber doch: ein passender Bogen für Madame G. Nun, den wird sie sich von ihren 10 000 Euro Tonali-Preisgeld sicher leisten können.