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Porträt Avi Avital

Virtuos übersetzt

Der Mandolinist Avi Avital arrangiert und interpretiert Werke von Bach

vonJakob Buhre,

Auf den ersten Blick wirkt Avi Avital gar nicht wie ein klassischer Musiker. Beim Interview-Termin begrüßt er in weitem Leinenhemd und mit Strubbelfrisur. Fotos, die den gebürtigen Israeli beim Mandolinenspiel zeigen, erinnern eher an die Haltung eines Rockmusikers.

Auch sein Lebenslauf gleicht nicht dem eines Wunderkindes ehrgeiziger Eltern. „Ich hatte eine normale Kindheit, ich habe Fußball gespielt wie alle anderen, habe Nirvana und Pink Floyd gehört, Schlagzeug gespielt und ich hatte eine kleine Rockband.“ Ein Mandolinen-Orchester des Konservatoriums von Be‘er-Sheeva lenkte schließlich seine Aufmerksamkeit auf das achtsaitige Instrument mit dem tropfenförmigen Korpus, das ihn fortan nicht mehr loslassen sollte. Selbst am Lagerfeuer, erzählt Avital, stimmte er Folk-Songs nicht auf der Gitarre sondern auf der Mandoline an.

Er studierte an der Jerusalem Academy of Music sowie am Konservatorium von Padua in Norditalien und machte 2007 mit dem Gewinn des israelischen „Aviv Competition“ auf sich aufmerksam. Und als er drei Jahre später für den Grammy nominiert wurde, wuchs das Interesse am Spiel des heute 34-Jährigen beträchtlich.

Musikalisch ist Avital sowohl in der Klassik als auch bei Weltmusik, Klezmer und Jazz zuhause, tritt mit Giora Feidman oder dem David Orlowsky Trio auf. Und er wird immer mehr zum Botschafter seines Instruments: „Nicht viele Komponisten haben für die Mandoline geschrieben, nach der Barockzeit findet sich das Instrument eher in der Folklore wieder. Darin ähnelt sie ein wenig der Gitarre: die war auch immer populär, aber kaum einer hat für sie geschrieben, bis Andrés Segovia kam. Er hat viele Stücke für die Gitarre arrangiert und die großen Komponisten seiner Zeit mit Werken beauftragt, wodurch ein großartiges Repertoire entstand. Segovia ist für mich eine wichtige Inspirationsquelle.“

Avital gibt nun selbst einmal jährlich ein Werk für Mandoline in Auftrag. So entstand 2006 beispielsweise das eindrucksvolle Konzert für Mandoline und Orchester von Avner Dorman, dessen Einspielung Avital später die Grammy-Nominierung einbrachte, oder auch das Doppelkonzert für Mandoline und Klarinette des Russen Sergei Abir. „Wenn ich den Komponisten begegne, frage ich sie zuerst, was das Instrument für sie bedeutet. Und interessanterweise bekomme ich von ihnen ganz unterschiedliche Antworten: Einer fühlt sich an italienische Filmmusik erinnert, der nächste sagt brasilianischer Choro, andere denken bei der Mandoline an Bluegrass oder osteuropäische Musik.“

Zu einem großen Teil besteht Avitals Repertoire auch aus eigenen Arrangements, für seine jüngste CD bearbeitete er mehrere Werke Bachs, darunter zwei Violinkonzerte: „Musik für die Geige eignet sich auch für die Mandoline, da beide Instrumente die gleiche Stimmung haben. Deshalb war mein erster Lehrer auch ein Geigenlehrer.“ Bach lasse sich allerdings für jedes Instrument übersetzen, sagt Avital, „seine Musik ist so kräftig, sie lässt sich nicht auf ein bestimmtes Instrument festlegen, sie geht darüber hinaus“. Avital ist ein virtuoser Übersetzer, sein Spiel fügt dem Bachschen Opus eine neue Dimension hinzu, die einerseits ungewohnt ist, gleichzeitig aber sehr vertraut klingt. In den Konzertsälen treffe er meist auf offene Ohren, erklärt er: „Viele sind überrascht, wenn sie eine Komposition oder ein Arrangement für Mandoline hören, aber sie haben keine Angst vor einem ungewohnten Klang. Vielmehr sind sie neugierig auf eine neue Erfahrung im Kontext des klassischen Konzerts.“

Album Cover für
Bach: Konzerte für Mandoline &
Streicher BWV 1041, 1052 & 1056,
Sonate BWV 1034 für
Mandoline & b.c.

Avi Avital (Mandoline & Arrangements)
Kammerakademie Potsdam
Deutsche Grammophon

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