Startseite » Porträts » Höchstens sechs Minuten duschen

Porträt Ben Goldscheider

Höchstens sechs Minuten duschen

Nicht nur beim Musizieren setzt Hornist Ben Goldscheider nachhaltige Akzente. Ambitioniert aber nicht missionierend geht er an das Thema Umwelt heran.

„Klicken Sie hier, um meine Seite zur harmonischen Progression zu sehen“, heißt es auf der Website des britischen Hornisten Ben Goldscheider. Wer hier fiese Kontrapunktübungen oder eine Erklärung zum Tristan-Akkord erwartet, der wird überrascht. Monat für Monat stellt sich Goldscheider neuen nicht-musikalischen Aufgaben. „Ich bin mir meiner Auswirkungen auf die Umwelt bewusst und proaktiv, um sie zu reduzieren“, schreibt er, weshalb er sich im Januar 2023 vornimmt, seiner „Schwäche für langes Duschen“ nicht mehr nachzugeben und den Waschvorgang „auf nicht länger als sechs Minuten pro Tag“ zu reduzieren.

Im März verspricht er, vegetarische Rezepte zu erlernen. In anderen Monaten auf Plastik zu verzichten und „mehr Klima-Dokumentationen statt Serien anzusehen“. Im Oktober 2022 informiert er den geneigten Leser, dass er sein Konto bei einer Bank, die er beim Namen nennt, gekündigt hat, nachdem er „ziemlich schockiert“ erfuhr, wie viel das Geldhaus in die Industrie für fossile Brennstoffe investiert. Zum Beweis legt Goldscheider den Screenshot seiner Überweisung an eine neue „umweltfreundlichere“ Bank vor, die er auch nennt. Ob sich soviel an „reinem Gewissen“ auch auf Musik und Interpretation übertragen lässt? An musikalischen Fähigkeiten mangelt es dem „Rising Star“ aus London, der 2020 sein Studium an der Barenboim-Said-Akademie in Berlin bei Radek Baborák mit Auszeichnung abschloss, nicht.

Ein Lungenvolumen wie kein Zweiter

Die Kritik ist begeistert, nennt sein Spiel „hervorragend“ (The Times) und „eine Freude“ (BBC). Und dies vor dem Hintergrund, dass Goldscheider seit frühester Kindheit an einer schwerwiegenden Lungenkrankheit leidet, die er offenbar in den Griff bekommen hat. 2016 zog er ins Finale des BBC Young Musician Wettbewerbs ein und brillierte mit Mozart vor 5 000 begeisterten Zuhörern. Und dies auf dem Horn, das von allen Blasinstrumenten vielleicht das Schwierigste ist. Wie schnell hat man sich da „verkiekst“. Mittlerweile stehen Komponisten und Komponistinnen Schlange, auf dass er eines ihrer Werke aufführe. An die fünfzig Kompositionen hat er uraufgeführt. Nur an einer Aufgabe ist er bisher gescheitert. Im Dezember 2023 „bestand meine Aufgabe darin, Amazon für Weihnachtsgeschenke zu meiden!“. Geschafft hat er es nicht.

Termine

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!