Rätselhaft, weshalb Georg Philipp Telemanns Brockes-Passion fast völlig in Vergessenheit geriet. Für Hansjörg Albrecht, Leiter des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chors, gibt es keine lebendigere Vertonung des Passionstextes „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“ als eben diese. Und immerhin haben mindestens 14 Komponisten Oratorien auf diese überaus blutrünstige Schilderung des Leidens Jesu Christi geschrieben. Darunter Reinhard Keiser, Georg Friedrich Händel, Johann Mattheson – und eben Telemann.
Der Text, der vor genau 300 Jahren verfasst wurde, stammt aus der Feder des Hamburger Ratsherrn und Schriftstellers Barthold Heinrich Brockes. Damals eine Art Bestsellerautor, der das literarische Fundament für folgende Dichtergenerationen gelegt hat, ist er heute eher ein Geheimtipp unter historisch findigen Hanseaten. Höchste Zeit, den vergessenen Sohn der Stadt mit einem weiteren Jubiläumskonzert (im März wurde bereits ein Brockes-Passions-Pasticcio vom barockwerk hamburg aufgeführt) ins Licht der Aufmerksamkeit zu rücken. Es ist zugleich die erste Zusammenarbeit des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chors mit dem hochkarätigen Elbipolis Barockorchester Hamburg.
Nach der Aufführung in der Altonaer Hauptkirche St. Trinitatis am 21. September findet am folgenden Tag eine zweite Aufführung in den Cuxhavener Hapag-Hallen statt. Als Hamburger Amtmann widmete sich Brockes den Geschäften im Flecken Ritzebüttel an der Elbmündung, damals ein Außenposten der Stadt Hamburg. Alljährlich zum Geburtstag des ehemaligen Amtmanns am 22. September lädt der Cuxhavener Schlossverein zur sogenannten Brockes-Mahlzeit. Dieses Jahr wird darüber hinaus die Telemann-Passion für Chor, Orchester und sechs Gesangssolisten zu hören sein, die erstmals 2009 mit der Akademie für Alte Musik Berlin und dem RIAS Kammerchor unter René Jacobs auf CD erschien.