Startseite » Porträts » Champagnertrunkene Götterfunken

Spurensuche Silvesterkonzert

Champagnertrunkene Götterfunken

Mehr als nur Beethovens Neunte: An Silvester haben auch die Orchester einmal Narrenfreiheit

vonChristoph Forsthoff,

Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“: Am Silvesterabend feiert die fatalistische Allerweltsweisheit aus der Fledermaus in unseren Tagen Hochkonjunktur. Prosecco, Sekt und Champagner, ein Trinklied angestimmt und sich dann im feucht-fröhlichen Rausch dem Vergessen der Gegenwart anheim geben … Da verwundert es schon ein wenig, dass just dieser Tag im Klassikbetrieb vielerorts noch immer untrennbar mit Beethovens Neunter verbunden ist, einer Sinfonie, deren humanistische Botschaft die Menschen doch an ihre höchsten Ideale erinnern, sie erheben und begeistern soll.

Auch musikalisch: »Same procedure as every year«

 

Entsprungen ist diese Tradition dem Grauen des Ersten Weltkriegs: War es doch das Leipziger Arbeiter-Bildungs-Institut, das zum Jahreswechsel 1918/19 den Gewandhauskapellmeister Arthur Nickisch und dessen Orchester für seine Silvesterfeier engagiert hatte, um mit der Neunten ein Zeichen zu setzen. Denn das Konzert begann gegen 23 Uhr, so dass pünktlich mit dem Schlusschor nicht nur das neue Jahr begrüßt werden konnte, sondern auch Schillers Ode an die Freude ertönte mit ihrem Aufruf „Alle Menschen werden Brüder“: Welch symbolträchtiger Jahresauftakt nach dem vorherigen Kriegsinferno! Kein Wunder, dass Nickischs Nachfolger diese Konzertidee gern übernahmen  – und auch in anderen Städten verbreitete sich die Tradition rasch, ja, bereits Ende der 20er-Jahre war der Beethoven-Klassiker zum Jahreswechsel sogar im Rundfunk zu hören. 

 

Dass Silvester heutzutage zu den populärsten Terminen im Klassikjahr gehört, ist indes vor allem den Wiener Philharmonikern und ihrem Neujahrskonzert zu verdanken: Feierte dieses mediale Mega-Event unserer Zeit doch seine Premiere am 31. Dezember 1939 – und schon damals regierte der Dreivierteltakt im Großen Musikvereinssaal. Seither ist der Walzerrhythmus nicht allein in Österreich vielerorts zum Jahresausklang das Maß aller Dinge, auch hierzulande führt die leichtere Muse das Zepter, und es herrscht eine musikalische Narrenfreiheit, deren Reigen aus Walzern, leichten Ouvertüren und Liebesarien sich nicht zuletzt die Musiker selbst gern hingeben. Alle Jahre wieder – „Same procedure as every year“. Denn wie bei „Dinner for one“ weiß auch hier der Zuhörer, was ihn erwartet: ein (im besten Falle) prickelnd-berauschendes, edles und erfrischendes Konzerterlebnis – ganz wie das perlende Getränk in der Pause und um Mitternacht. Was gerade in unruhigen und ungewissen Zeiten wie diesen sehr beruhigend sein kann. Selbst wenn am verkaterten Morgen danach im neuen Jahr dann doch alles ganz anders sein sollte …

 

 

Hamburg:

11:00 Uhr Laeiszhalle

Philharmoniker Hamburg, Simone Young (Leitung & Moderation)

 

16:30 Uhr Laeiszhalle

Claudia Barainsky (Sopran), Ulrike Helzel (Alt), Thomas Mohr (Tenor), Arttu Kataja (Bass), Hamburger Symphoniker, Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg, Ulrich Windfuhr (Leitung)

 

 

Berlin:

17:30 Uhr Philharmonie

Menahem Pressler (Klavier), Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle (Leitung)

 

19:00 Uhr Staatsoper im Schiller Theater

Rolando Villazón (Tenor), Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim (Leitung)

 

19:00 Uhr Konzerthaus

Simone Kermes (Sopran), Konzerthausorchester Berlin, Alexander Shelley (Leitung)

 

15:00 & 19:00 Uhr Tempodrom

James Ehnes (Violine), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Thomas Søndergård (Leitung)

 

 

München:

15:00 Uhr Residenz

Barbara Baier (Sopran), Marion Eckstein (Alt), Christian Zenker (Tenor), Timothy Sharp (Bariton), Arcis-Vocalisten, Birnauer Kantorei, Thomas Gropper (Leitung)

 

17:00 Uhr Gasteig

Diana Damrau (Sopran), Münchner Philharmoniker, Manfred Honeck (Leitung)

 

20:15 Uhr Gasteig

Max Müller (Moderation), Münchner Symphoniker, Joseph R. Olefirowicz (Leitung)

 

 

Dresden:

15:30 & 19:00 Uhr Albertinum

Dresdner Philharmoniker, HK Gruber (Leitung)

 

 

Leipzig:

17:00 Uhr Gewandhaus

Luba Orgonášová (Sopran), Bernarda Fink (Alt), Steve Davislim (Tenor), Thomas E. Bauer (Bass), Gewandhausorchester, MDR Rundfunkchor, GewandhausChor, Gewandhaus-Kinderchor, Riccardo Chailly (Leitung)

 

 

Weimar:

16:00 Uhr Weimarhalle

Alban Gerhardt (Violoncello), Staatskapelle Weimar, Stefan Solyom (Leitung)

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!