Sie hat den Deutschen Filmpreis und den Adolf-Grimme-Preis gewonnen und trug den Titel (Theater)Schauspielerin des Jahres. Aber eigentlich hat Dagmar Manzel immer davon geträumt, auf der Opernbühne zu stehen. „Ich bin mit Jacques Offenbach und Fritzi Massary groß geworden. Ich habe zu Hause vor dem Ofen sämtliche Beethoven-Sinfonien dirigiert und die Lucia di Lammermoor gesungen – und habe mir von meinem Taschengeld immer nur Schallplatten gekauft.“
Doch dann nahm eine Freundin sie mit zur Schauspielschule, zur „Ernst Busch“, der besten im Lande, wo man sie vom Fleck weg aufnahm. Mit 21 spielte Dagmar Manzel die Maria Stuart am Staatsschauspiel Dresden, für zwei Jahrzehnte war sie die Cheftragödin im Deutschen Theater, dem Theaterolymp Ost- und später Gesamt-Berlins. Doch die Liebe zum Gesang ließ ihr keine Ruhe, und so kam es, wie es kommen musste. Als Opernsängerin Rita Marchetti in Sternheims Nebbich sang Dagmar Manzel auch Lieder und Arien. „Und eines Tages saß Jochen Kowalski in der Vorstellung. Ich war so aufgeregt, dass ich statt ,Ich überreiche Ihnen die silberne Rose‘ gesagt habe: ,Ich überreiche Ihnen die rosane Silbe‘. Jochen Kowalski hat den totalen Lachkrampf gekriegt und sagte hinterher: Du musst einen Liederabend machen.“ Der hieß „Eine Sehnsucht, egal wonach“ und wurde ein großer Erfolg. 2002 folgte Offenbachs Großherzogin von Gerolstein, und prompt meldete sich die Komische Oper.
„Als ich das erste Mal da auf der Bühne stand als Mrs. Lovett in Sweeney Todd und das große Orchester spielte und der Chor sang, das war so ein erhebender Moment, dass ich dachte: Ich will hier nicht mehr runter! So Gott will und ich die Kraft und die Stimme habe, werde ich das weitermachen. Singen und Spielen – das ist für mich die Erfüllung.“
Ganz fürs Schauspiel verloren ist die Manzel glücklicherweise nicht. Filmen wird sie weiterhin, und für besondere Projekte kehrt sie auch auf die Schauspielbühne zurück. Doch ihre Bühnenheimat liegt inzwischen an der Behrenstraße. In Kiss Me Kate hat sie dem Affen Zucker gegeben, und auch die Wirtin im Weißen Rössl ist nicht unbedingt eine Figur mit psychologischem Tiefgang. Nun aber gibt Dagmar Manzel die beiden Annas in Kurt Weills Die sieben Todsünden, ihrer zweiten Arbeit mit Barrie Kosky. Weitere sind fest geplant. Inzwischen hat Dagmar Manzel mehrfach an der Kölner Oper gesungen und einen Eisler-Abend mit dem Ensemble Intercontemporain in der Pariser Cité de la Musique gegeben, sie gestaltet Abende mit ungewöhnlich arrangierten Werner-Richard-Heymann-Liedern („Irgendwo auf der Welt“) und macht Kammermusik mit Philharmonikern und Musikern der Staatskapelle – „die haben ein unglaubliches Ohr dafür, Sänger zu begleiten. Wenn es dann schwingt zwischen uns, fängst du an zu fliegen, das ist der Hammer!“
Die 53jährige Berlinerin ist eine Frau mit einem lustigen Lachen und einem Hang zur Selbstironie, der das Albernsein auf den ersten Blick näher zu liegen scheint als die Abgründe, in die sie als Schauspielerin so oft und so glaubwürdig hinabsteigt. Sie versteht es, beim Erzählen Pointen zu setzen, wirkt aber dabei überhaupt nicht theatralisch. Dagmar Manzel kann immer noch aufrichtig staunen, dass sich ihr in der Lebensmitte, wie sie sagt, eine zweite Karriere eröffnet hat. Doch sie arbeitet auch hart dafür. Sie nimmt Gesangsunterricht, arbeitet ihren Mozart und Schubert und freut sich wie ein Kind auf Die Sieben Todsünden. „Ich brauche viel länger als ein Opernsänger, aber wenn ich das musikalisch kann, wird’s spannend, das schauspielerisch zu erarbeiten. Ich kann den Opernsängern keine Konkurrenz machen, aber bei den Sieben Todsünden will man gar keine Kunststimme, sondern einen realen Ton hören. Doch der einfache Gesang von Schauspielerin reicht auch nicht. Das ist so ein Zwischenfeld, das ich da beackere.“
Fernsehkommissarinnen hat man Dagmar Manzel auch schon angeboten, und sie wäre bestimmt eine ganz besondere Ermittlerin. Doch zumindest wir Berliner dürfen dankbar sein, dass Dagmar Manzel lieber die Herausforderung des Musiktheaters annimmt.