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Porträt Walter Küssner

„Das schafft man nicht als alter Mann“

Der Philharmoniker Walter Küssner will ein vergessenes Bratschenkonzert zum Standard erheben

vonMatthias Nöther,

Zu welchem Zeitpunkt das Bratschenkonzert von Rudolph Arthur Rösel (1859 bis 1934) entstand, weiß niemand so genau. Doch Walter Küssner, Mitglied der Bratschengruppe bei den Berliner Philharmonikern, ist sich sicher: Der Komponist war ein hervorragender Geiger. „Und Rösel hat sein Stück mit Sicherheit selbst auch auf der Bratsche gespielt.“ Da wird die Zeitspanne, in der das Werk entstanden sein könnte, schon kleiner: „Dieser Solopart ist so schwierig zu spielen – das schafft man nicht als alter Mann. Rösel wird damals kaum viel älter gewesen sein als ich, so um die fünfzig.“ Rösels Stück dürfte, wenn man diese Anhaltspunkte mit dem musikalischen Stil des Stückes und der Opuszahl 36 abgleicht, um den Ersten Weltkrieg herum entstanden sein.

Wenn Walter Küssner über die von ihm entdeckte Musik spricht, geht die Begeisterung mit ihm durch. „Rösel war unglaublich geschickt: Er hat das Ganze sehr voll instrumentiert, aber er war sich der Schwierigkeiten der Orchestrierung bewusst. Die Solobratsche kommt immer durch. Und Rösel hatte einen Sinn für Melodik in mittlerer und tiefer Lage – der Ton der Bratsche ist perfekt getroffen!“ Küssner ist bei der Liebe zu seiner Ausgrabung, das gibt er selbst gerne zu, vielleicht nicht ganz objektiv. „Es kann schon sein, dass ein Geiger von dem Stück nicht so angetan ist wie ich, aber der hat ja auch genug epochale Meisterwerke für sein Instrument zur Verfügung.“ Bei Küssner überwiegt die Freude, ein Werk dieser Qualität für die Bratsche entdeckt zu haben. Und er findet, an etlichen Stellen erinnert das Konzert für Viola und Orchester von Rudolph Arthur Rösel durchaus an das berühmte Violinkonzert von Brahms. „Endlich mal wieder ein Bratschenkonzert mit einem süffigen romantischen Klang! Wir spielen ja eigentlich aus dieser Epoche sonst meistens nur Max Bruch!“

Mit dem Aufstöbern von längst Vergessenem, auch mit dem Durchleuchten von schwierigen historischen Zusammenhängen hat Walter Küssner Erfahrung. Seit vielen Jahren betreut er das Archiv seines Orchesters. Immer wieder lässt Küssner im Foyer der Philharmonie besonderes Archivmaterial zeigen: Zurzeit läuft eine Ausstellung über Hans Bastiaan, den Konzertmeister der Philharmoniker während der NS-Zeit.

Die Partitur zum Rösel-Konzert fischte Küssner vor rund zehn Jahren aus dem Hauptstaatsarchiv der Klassik-Stiftung Weimar. Ein Freund hatte einige Jahre zuvor Rösels Klarinettenkonzert wiederentdeckt, die Musik machte Küssner neugierig. Die Partitur des Bratschenkonzerts ließ er auf eigene Kosten verlegen, 2003 spielte er in Budapest mit einem ungarischen Orchester selbst die erste Wiederaufführung – mit großem Erfolg. Mittlerweile hat Küssner „sein“ Bratschenkonzert von Bad Reichenhall bis nach Cincinnati getragen. „Es ist auch eine Gelegenheit für mich, als Solist zu konzertieren, mit meinem In-strument ein bisschen herumzureisen.“ Das Herumreisen in Sachen Rudolph Arthur Rösel dürfte auch in Zukunft nicht zu kurz kommen. Küssners nächste Aufführung nach dem Konzert mit dem sinfonie orchester berlin in der Philharmonie wird wohl in Japan sein.

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