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PORTRÄT DEJAN LAZIĆ

Mit ganzer Hingabe

Egal ob er gerade Klavier, Klarinette oder Fußball spielt: Dejan Lazić macht alles mit Leidenschaft

vonChristoph Forsthoff,

Als Kind war ich in Zagreb im Fußballverein und habe jeden Tag trainiert – ja, bevor ich Ivo Pogorelich werden wollte, wollte ich Michel Platini werden.“ Dejan Lazić lacht – Kinderträume halt. Doch dann sah der kleine Kroate im Kino Milos Formans Meisterwerk „Amadeus“ – „und von dem Tag an wusste ich, dass ich Musiker werde.“ Musiker wohlgemerkt, nicht Pianist: Denn mag der 36-Jährige heute seine Erfolge vor allem auf den Tasten feiern, so hat er doch schon früh neben dem Klavier seine Talente auch auf der Klarinette erprobt. „Ich liebe einfach die Musik – für mich waren das nie Instrumente, sondern ich wollte mich ausdrücken.“

Eine Leidenschaft und Musikalität, die dann zu solch ungewöhnlichen Aufnahmen wie 1991 einem Album mit Mozarts Klarinettenkonzert und seinem Es-Dur-Klavierkonzert KV 449 führte: Solist war in beiden Fällen Dejan Lazić. Oder drei Jahre später zu einer Einspielung mit den beiden Klarinettensonaten von Brahms – dank der Aufnahmetechnik mit sich selbst am Klavier. Sein Problem nicht nur bei solchen CD-Kunststücken: „Die Umwelt versucht, einen immer wieder in eine Schublade zu stecken – was dann zu solch komischen Vergleichen führte wie ‚Er ist aber ein besserer Pianist‘ oder gar zu der Frage ‚Und wo ist jetzt der Zwillingsbruder?‘“ Am Ende dieser Zeit sei er im Grunde seine eigene Konkurrenz gewesen, erinnert sich der temperamentvolle Musiker: „Dadurch fiel es mir auch etwas leichter, die Klarinette erst einmal aufzugeben.“ Was nicht heißt, dass er sich damit von dieser großen Leidenschaft endgültig verabschiedet hätte: „Ich pausiere lediglich“, meint Lazić verschmitzt – „wer weiß, vielleicht werde ich in zehn Jahren nach einem Klavierabend mal eine Klarinettenzugabe geben.“

Komponieren am Schreibtisch – zu festen „Bürozeiten“ 

Vermutlich dann mit einem Werk aus seiner eigenen Feder: Schließlich komponiert der Musiker bereits seit seiner Jugend und sorgte vor gar nicht langer Zeit für reichlich Aufruhr, als der Pianist das Violinkonzert von Brahms für seine Tastenzwecke bearbeitete. Einfach weil er das Werk liebe und es ja vielleicht auch Brahms vor allem um Musik gegangen sei… Aktuell entsteht ein ganz eigenes Klavierkonzert auf dem Komponistenschreibtisch – ja, Schreibtisch, denn Lazić schreibt ganz „altmodisch mit Papier, Stift und Radiergummi – und da braucht man vor allem sehr viel Zeit“. Nicht zuletzt, da gelegentlich auch schon mal die Inspiration erzwungen werden müsse („Die Zeiten, als Ravel auf einem schönen Frühlingsspaziergang eine Idee kam, sind vorbei“) und der Großteil des Schaffens schlichte „Büroarbeit von 8.30 bis 17 Uhr“ sei. Weshalb der Musiker sich seit einiger Zeit drei- bis viermal im Jahr zweiwöchige Auszeiten nimmt, „in denen ich mich ausschließlich dem Komponieren widme“.

Eine weitere Leidenschaft, die ihn nicht gleich wieder in eine Schublade verfrachtet hat wie in der Vergangenheit etwa seine Liebe zu Kammermusik. „In den 90er Jahren habe ich sehr viel Kammermusik gespielt – da war ich sofort abgestempelt als Begleiter und musste mir solche Kommentare anhören wie ‚Ach, Sie spielen auch solo?‘“ Dabei versuche er lediglich, sich nicht zu reduzieren – „und etwa einen Liederzyklus zu begleiten, gehört zu den schwierigsten musikalischen Aufgaben!“ Da ist sie wieder, seine ganzheitliche Sicht auf die Musik, die ihm schon als Kind bei seinen Besuchen des Bartók-Festivals in Ungarn von Größen wie Zoltán Kocsis oder Peter Eötvös vermittelt und von seinem späteren Lehrer am Salzburger Mozarteum, Imre Rohmann, vertieft wurde. „Ich habe kein Instrument, sondern Musik gelernt“, meint der Künstler rückblickend, „und vor allem habe ich gelernt, Musik zu lieben.“

Ein eigener Fußballverein für Musikerkollegen

Treu geblieben ist der Musiker indes auch seiner ersten großen Liebe: In Amsterdam, wohin es den „modernen Europäer“ inzwischen nach jeweils zehn Jahren in Salzburg und München verschlagen hat, gründete er mit Musikerkollegen einen Verein – immer freitags wird gekickt. Zumindest, wenn die Pianisten, Streicher und Bläser nicht gerade auf Konzertreise sind. Und dabei hält der Solist seinem Idol aus Kindertagen auf dem Rasen bis heute die Treue: So wie einst Platini trägt auch der Künstler seit seiner Zeit im Club in Zagreb das Trikot mit der Nummer 10. „Die habe ich nie gewechselt, ich bin immer der Spielmacher gewesen“, erzählt Lazić – „und zum Glück lassen das meine Freunde hier auf dem Platz auch zu.“ Manches Talent hat es im Fußball eben doch leichter als in der Musik.

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