Will man den Leuten etwas Unbekanntes schmackhaft machen, stellt man es am besten gemeinsam mit etwas Populärem vor. Gerade so verfahren Andreas Fischer und Matthias Hoffmann-Borggrefe, die Kirchenmusiker der Hauptkirchen St. Katharinen und St. Nikolai: Orffs Carmina Burana werden am 7. November durch die Chorballaden Der Feuerreiter von Hugo Wolf und Taillefer von Richard Strauss ergänzt – hierfür weicht Andreas Fischer mit einem großen Ensemble aus der umbau-
bedingt geschlossenen Katharinenkirche in die Laeiszhalle aus; in St. Nikolai wird am 12. November außer dem Deutschen Requiem von Brahms Hans Pfitzners Chorphantasie Das dunkle Reich erklingen.
Orffs Carmina Burana zeigen das Mittelalter in all seiner Vitalität, die szenische Kantate nach der Liederhandschrift des Klosters Benediktbeuern wurde nach ihrer Uraufführung 1937 schnell ein Evergreen im internationalen Konzertleben. Hugo Wolfs Ballade Der Feuerreiter für gemischten Chor und Orchester, 1892 als Bearbeitung eines vier Jahre zuvor komponierten Klavierliedes entstanden, setzt Eduard Mörikes gleichnamige Ballade aus dem Roman Maler Nolten hochdramatisch in Szene: Da züngeln die Flammen, da klingt der Alarm der Feuerglocke und da breitet sich heilige Ruhe aus, wenn schließlich entdeckt wird, dass der rettende magische Feuerreiter in der brennenden Mühle den Tod gefunden hat.
Als Dankesgabe an die Universität Heidelberg, die ihm 1903 die Ehrendoktorwürde verlieh, vertonte Richard Strauss Ludwig Uhlands Taillefer für Soli, gemischten Chor und Orchester. Künstlerisches Genie, kriegerische Tapferkeit und Treue zum Landesherrn sind die Themen der Ballade: Der frisch mit akademischen Würden geschmückte Komponist, der bis zu seinem Lebensende seine Briefe mit „Dr. Richard Strauss“ zu unterzeichnen pflegte, gibt ihnen eine würdige musikalische Gestalt, greift aber ebenfalls die dramatischen Anregungen der Textvorlage auf und schafft so auch eine theatralische Miniatur.
Hans Pfitzner, durch seine Verstrickung mit dem Nationalsozialismus politisch belastet, ist auch künstlerisch das Etikett eines „ewig Gestrigem“ angeheftet worden. In Hamburg setzt man sich in diesem Jahr vermehrt für den Vielgescholtenen ein: Seine Oper Palestrina stand im Juni auf dem Premieren-Spielplan der Hamburgischen Staatsoper, jetzt wird die Kantorei St. Nikolai seine Chorfantasie Das dunkle Reich aufführen. Dem 1929 als „eine Art literarischer Totenmesse“ (so Pfitzner selbst in einem Brief) für seine 1926 verstorbene Frau entstandenen Werk liegen Gedichte von Michelangelo, Goethe, Conrad Ferdinand Meyer und Richard Dehmel zugrunde. Von musikalischem Konservatismus ist in diesem Werk wenig zu spüren – Pfitzners Musiksprache ist hoch expressiv und führt gelegentlich an die Grenze des tonal Erklärbaren.
Fazit: Eigentlich bräuchte man weder Brahms noch Orff, um das Publikum in diese beiden Konzerte zu locken.