Nach so einer langen Zeit auf Reisen muss ich mich zuhause immer erstmal in der Badewanne einweichen und ein paar Zwiebeln in meiner eigenen Küche schneiden, um wieder anzukommen”, lacht Dorothee Mields. Und sich ihrer Dalmatinerhündin widmen, die gerade fröhlich um sie herumtänzelt und gar nicht genug Streicheleinheiten bekommen kann. Erst vor kurzem ist die Sopranistin von einer vierwöchigen Tour zurückgekehrt, in Brügge standen Bach-Kantaten, in Budapest die h-moll-Messe mit dem Collegium Vocale Gent und Philippe Herreweghe auf dem Programm. Nun also endlich wieder daheim: Auf den Stühlen im Wohnzimmer liegen Schaffelle, an den Wänden hängt quietschbunte Kunst von ihrem Lebensgefährten Tobias Eis und seinen Kollegen, durchs Fenster fällt der Blick in einen großen Garten – Ruhrpottromantik deluxe in Dinslaken. Dorothee Mields kam der Liebe wegen hierher: Doch aufgewachsen in Gelsenkirchen, zur Schule gegangen in Essen, ist ihr die Gegend wohl vertraut.
Als Dorothee Mields der Bach-Schlag traf
Wobei es im Grunde ja gleich sei, von wo aus sie zu ihren Konzerten starte: Ganze drei Tage ist sie diesmal zuhause, bevor der frisch gepackte Koffer wieder losrollt. Schicksal einer Vielgefragten, die zu den Top-Interpretinnen der Barockmusik zählt. Die Werke von Bach Senior sind dabei zu einem roten Faden in ihrem Leben geworden – obgleich sie noch als Schülerin von einer Zukunft mit José Carreras geträumt hatte, Geige spielte und im Wohnzimmer dramatische italienische Partien à la Tosca übte!
Doch dann gab ihr eines Tages ein musikliebender Mathe-Referendar an ihrer Schule eine Aufnahme der Bachkantate Ich hatte viel Bekümmernis mit Barbara Schlick und Peter Harvey unter der Leitung Philippe Herreweghes – und damit war es um die Teenagerin geschehen. „Ich war wie vom Donner gerührt”, erinnert sich die Sopranistin an den Beginn ihrer großen Liebe – zur Barockmusik. Dass sie eines Tages selbst einmal als Solistin Seite an Seite mit dem Dirigenten regelmäßig Konzerte geben würde: Nie hätte sie sich das zu träumen gewagt. Doch „neulich hat Philippe zu mir gesagt, ‚Ach Dorothee, ich kann in jedem Konzert immer wieder so viel von dir lernen’ – da bin ich ganz rot geworden“, schmunzelt Sängerin.
Barocke Glaubhaftigkeit statt „Tosca-Gepiepse“
Nach einem Gesangsstudium in Bremen und der Geburt ihrer Tochter Katharina traf sie dann eine weitere Schlüsselfigur ihrer Karriere: die ungarische Mezzosopranistin Júlia Hamari, die ihre ganze Technik umkrempelte und sie aus einer ernsthaften Stimmkrise rettete. „Von ihr habe ich wirklich gelernt, wie man singt. Und dass man keinen Ton ohne Ausdruck singen darf. Nur dann ist es wirklich glaubhaft.“ Und eben diese Glaubhaftigkeit findet Mields in der Barockmusik. „Hier ist meine Stimme zuhause, dieses Tosca-Gepiepse hätte ich mir auf Dauer selbst nicht wirklich abgenommen.“
Neben der Liebe zu Bach kann sie sich auch leidenschaftlich für Rameau, Purcell und Telemann begeistern. „Telemann war unglaublich, bis ins hohe Alter war er wirklich Avantgarde“, schwärmt die Sopranistin. Die musikalische Annäherung fällt der Barockspezialistin dabei leicht, hat sie doch ein absolutes Gehör und ist obendrein eine gute Blattleserin. So besteht denn die Vorbereitung ihrer Konzerte auch zu 95 Prozent aus Textarbeit, sie versucht jedes Stück inhaltlich wirklich zu durchdringen und nimmt dafür auch schon gern einmal die Partitur mit ins Bett. „Es braucht in der Barockmusik das Engagement jedes einzelnen Spielers, denn jede Stimme ist gleich wichtig. Wenn man sich da nur beim Dirigenten abgibt, funktioniert es nicht”.