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Spielstättenporträt Anhaltisches Theater

Dunkle Wolken über Dessau

Künstlerisch hat das Anhaltische Theater in den vergangenen Jahren vielerorts für Aufsehen gesorgt. Allein die Kulturpolitiker interessieren diese Erfolge wenig

vonChristian Schmidt,

Ein letztes Aufbäumen vor dem drohenden Niedergang? Wenn dieser Tage Wagners Ring des Nibelungen mit der finalen Premiere fertig geschmiedet ist – der erste komplette Ring seit Jahrzehnten –, sieht das Anhaltische Theater Dessau schweren Zeiten entgegen. Der riesige, angeblich überdimensionierte Bau aus den 30er Jahren, der noch heute über eine der größten Drehbühnen Deutschlands verfügt, schmückt seit 2013 die Rote Liste des Deutschen Kulturrates: Denn nachdem die Kulturpolitiker des Landes Sachsen-Anhalt eine Millionenkürzung anzettelten, steht die Zukunft des Hauses auf tönernen Füßen. Zwar konnte Generalintendant André Bücker zunächst das Überleben aller vier Sparten Musiktheater, Schauspiel, Ballett und Puppentheater durch eine dauerhafte Arbeitszeitverkürzung fast aller der knapp 350 Mitarbeiter sichern.

Doch der unliebsame scharfe Kritiker der unsäglichen, auch andernorts nicht selten verheerenden Landeskulturpolitik wird zum Ende der Saison Dessau verlassen. Sein Nachfolger Johannes Weigand, der schon in Wuppertal sein Ensemble deutlich reduzieren musste, hat erst seit seiner Wahl kurz vor Weihnachten Zeit, die kommende Spielzeit zu planen – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Zumal die Reduktion des Hauses auf ein reines Musiktheater – für eine 84 000-Einwohnerstadt ein kulturpolitischer Wahnwitz – noch immer auf der Agenda des so genannten Kulturentwicklungsplanes steht, selbst wenn sie vorerst durch einen Stadtratsbeschluss gestoppt worden ist.

Traditionsreiches Haus: Die Hofkapelle wurde im 18. Jahrhundert gegründet

Da hilft es auch nichts, dass das Anhaltische Theater auf eine lange Tradition zurückblickt, die Wurzeln der Anhaltischen Philharmonie bis ins 18. Jahrhundert reichen, als Fürst Franz von Anhalt eine Hofkapelle gründete. Stattdessen verlässt der niederländische Generalmusikdirektor Antony Hermus, der durch innovative Programme und eine spannungsvolle Gesamtdramaturgie schnell überregionale Begeisterung für sein Orchester entfachte, das Haus ebenfalls zum Spielzeitende – wer sein Nachfolger wird, ist unbekannt. Dabei wurde seine großartige Auseinandersetzung mit der Musik Kurt Weills, des größten Sohnes der Stadt, hochgelobt. Und sein Dirigat des Rings enthusiasmierte die Kritik.

Ein Programm ebenso für Opernliebhaber wie für Jugendliche aus der Platte

Mit 180 000 Besuchern pro Jahr kann das Theater stolz sein, dass es trotz der demographischen Entwicklung in einer Stadt, die in den letzten 20 Jahren ein Viertel ihrer Einwohner verlor, die Besucherzahlen stabil hielt. 2013 legte Bücker den besten Jahresabschluss der Nachwendezeit vor, konnte auf überregionale Aufmerksamkeit verweisen und auf eine Öffnung für die höchst verschiedenen sozialen Lebenswelten in Dessau. Ob Opernliebhaber oder Jugendliche aus der Platte: Das Anhaltische Theater geht auf sein Publikum zu, macht neben dem Ring auch Stadtteilprojekte, schickt Musiker in Schulen und seine Schauspieler ins Unesco-prämierte Gartenreich Wörlitz. Zwischen Bürgerbeteiligung und Laienprojekten sparte das Theater auch heiße Eisen nicht aus, startete mit Migranten und Einheimischen ein Projekt über die Flüchtlingsproblematik und stellte den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh – er kam vor zehn Jahren bei einem Feuer im Dessauer Polizeigewahrsam unter mysteriösen Umständen um – mit einem eigenen Stück zur Diskussion.

„Auch wenn das Haus nun erst einmal gerettet scheint, ist es natürlich schade, dass ich nicht mehr beweisen kann, dass unser Plan funktioniert“, sagt der scheidende Intendant. „Aber wer den Mund zu weit aufmacht, wird entsorgt, so ist das eben in Sachsen-Anhalt. Es gibt Punkte, da darf man nicht schweigen, aber ich kann dafür noch in den Spiegel sehen.“

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