Für Hans Neuenfels, der 2010 den Lohengrin in Bayreuth mit Hilfe von hunderten Rattenkostümen auf die Bühne brachte, ist Wagner als Dichterkomponist „aufklärerisch, hinterlistig, gemein, rücksichtslos“. Und: „Wagners Opern stecken voller Fallen.“ Sein Kollege Andreas Homoki, ehemaliger Intendant der Komischen Oper und dort Regisseur der Meistersinger von Nürnberg, sieht das tendenziell anders: „Mein Verhältnis zu Wagner ist ungebrochen.“ Wenn von ihm erwartet würde, die Inhalte der Stücke zu problematisieren, habe er seine Schwierigkeiten.
Mitglieder der Akademie diskutieren
So verschiedenartige Wagner-Regisseure wie Neuenfels und Homoki, und noch viele andere, finden ihren Platz in einer Veranstaltung über Richard Wagner: „Künstlerpositionen“ heißen die Ausstellung und die dazugehörige Reihe von Lesungen, Diskussionen und Inszenierungen, mit der die Akademie der Künste Berlin Wagners 200. Geburtstag einleitet. Nicht die Biographie des Komponisten soll hier noch einmal nacherzählt werden, auch nicht die wechselhafte Rezeptionsgeschichte von den Uranfängen der Bayreuther Festspiele über den Wagner-Missbrauch der Nazis und das strenge Neu-Bayreuth der Wagner-Enkel bis in die bunte Gegenwart der weltweiten Wagner-Aufführungen. Vielmehr soll der Komponist über die sehr unterschiedlichen Sichtweisen jener aktuellen Mitglieder der Akademie sichtbar werden, die sich in ihrem Künstlerleben mit Wagner beschäftigt haben – und die somit eine Position zu jenem Komponisten entwickelt haben, dessen Werk das Publikum bis heute so stark fesselt und polarisiert.
Die Vielfalt der Positionen werden gezeigt
„Wir hatten hier in der Akademie die einmalige Chance, den Aspekt des Gesamtkunstwerks an Wagner zu betonen – die Gleichwertigkeit von Musik, Sprache und Bild“, sagt Reinhild Hoffmann, Choreographin und in der Akademie stellvertretende Direktorin der Sektion Darstellende Kunst. Sie sieht das Einzigartige vor allem in der Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Künstler, die an dem Projekt teilnehmen. Denn das Thema Wagner umschließt heute durchaus einen ganzen Kosmos an Positionen, Sichtweisen, ja Weltanschauungen. „Wenn man nur eine Meinung ansetzt, wird man der Breite nicht gerecht. Es ist immer wieder ein Aber in der Sache.“
Regisseure, bildende Künstler und Bühnenbildner sind beteiligt
Den vielleicht wichtigsten Part im Diskurs über Wagner übernehmen heute sicherlich die Opernregisseure, deshalb werden in der Haupthalle der Ausstellung Interviews mit wichtigen Regisseuren wie Neuenfels oder Homoki, Peter Konwitschny oder Barrie Kosky per Video zu sehen sein. Bildende Künstler wie Achim Freyer oder die Bühnenbildnerin Anna Viebrock haben außerdem Installationen beigesteuert, die den gedanklichen Kern ihrer eigenen szenischen Wagner-Arbeiten visualisieren sollen. Mit Christian Boltanski ist ein weiterer bildender Künstler am Werk, der mit Wagner-Installationen Erfahrung hat: Er erfand im Jahr 1999 für Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen im historischen Krankenhaus von Beelitz-Heilstätten einen gespenstischen fünften Tag, der nach der Götterdämmerung spielt.
Gesamtkunstwerk aus Text, Bild und Musik
Für Reinhild Hoffmann, die ebenfalls schon Tristan und Isolde und Lohengrin inszeniert hat, besteht die Herausforderung bei der Arbeit an Wagner, dass zu Text und Bild durch die Musik eine starke Gefühlsebene hinzukommt. „Man hat immer wieder das Gefühl, man ist in einem Cinemascope-Film“. Vielleicht deshalb gibt es kaum einen Komponisten, dessen Musik im Film häufiger zitiert wurde. Diese Filmzitate sind das erste, mit dem der Besucher von „Wagner 2013. Künstlerpositionen“ in Berührung kommt.