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Porträt ensemble mini

Etwas Frisches anbieten

Das ensemble mini präsentiert Werke Gustav Mahlers und seiner Schüler in neuem Klanggewand

vonMatthias Nöther,

Man muss hier als Einzelperson versuchen, den Klang einer ganzen Gruppe herzustellen – was natürlich überhaupt nicht möglich ist“, sagt Teresa Kranert. Enttäuscht klingt das nicht, Kranert sieht das eher als Herausforderung. Sie ist die zweite Geigerin im ensemble mini. Mehr Geigen gibt es in diesem Ensemble nicht: Dennoch wagt es sich an die Musik von Mahler.

Welch unerhörte Intensität entstehen kann, wenn lediglich ein Violinduo jene Passagen spielt, die Mahler einst für eine Gruppe von etwa 30 Geigen schrieb, dies hat das ensem-ble mini schon im April mit einem Kammerorchester-Arrangement von Mahlers Neunter Sinfonie demonstriert. Es gibt wohl kaum Musik im frühen 20. Jahrhundert, die so unter dem Druck ihrer eigenen Klänge zu stehen scheint, wie der letzte Satz dieser Sinfonie. Die Akkorde gehen an die Grenzen der traditionellen Harmonik, in den Ohren des Zuhörers scheinen die Linien unter der Spannung der Leittöne fast zu zerbrechen.

In der Fassung von Mahlers Neunter, die der Freiburger Arrangeur Klaus Simon für das ensemble mini geschrieben hat, muss ein kleines Streichquintett für die symphonischen Linien permanent die volle Länge seiner Bögen einsetzen. Die fünf jungen Streicher, die wie ihre mini-Bläserkollegen zurzeit einen letzten Schliff als Akademisten bei den großen Berliner Orchestern erhalten, sie werden von der Energie dieser Musik schier aufgesogen.

Mahlers Sinfonien werden oft gespielt in deutschen Konzertsälen – vielleicht zu oft, um sich über die Seltsamkeiten dieser Musik noch angemessen zu wundern. Gemeinsam mit dem ensemble mini soll sich das Publikum, so Joolz Gale, den Werken nun auf neue Art nähern. „Es geht nicht darum, es besser zu machen, sondern es anders zu machen – etwas Frisches anzubieten. Die Mini-Besetzung erlaubt größere Klarheit. Man kann Haupt- und Nebenstimmen besser unterscheiden.“

Größere Klarheit: Darum ging es auch dem großen Mahler-Fan Arnold Schönberg, als er kurz nach dem Ersten Weltkrieg erstmals Kammermusikfassungen von Mahlers Werken in Auftrag gab – für seinen Verein für musikalische Privataufführungen. Hier wollte man die Strukturen der rätselhaften Sinfonien des gerade verstorbenen Hofoperndirektors studieren – und nicht nur die. Originalwerke für Kammerorchester von Mahler-Nachfolgern wie Franz Schreker und Erich Wolfgang Korngold standen ebenso auf dem Spielplan des Vereins.

An diese Bearbeitungs-Tradition der Neuen Wiener Schule knüpfen Joolz Gale und sein ensemble mini an. Doch hier es geht nicht nur um die Strukturen der Kompositionen, wie im Schönberg-Labor, sondern genauso sehr um Klangsinnlichkeit, sagt die Geigerin Teresa Kranert. „Der Klang soll trotz der kleinen Besetzung weich und groß sein. Gerade weil die Bläser fast so stark besetzt sind wie in der Originalfassung. Das heißt: Die Streicher müssen nochmal mehr Sound geben.“

Im letzten Konzert der Mahler-Reihe im Kammermusiksaal werden Mahlers Wunderhorn-Lieder auf dem Programm stehen, ebenfalls arrangiert von Klaus Simon. Daneben singt die Mezzosopranistin Daniela Lehner Lieder und Gesänge von Alexander Zemlinsky. Eine historische Kammermusik-Bearbeitung von Zemlinskys Sechs Gesängen nach Maurice Maeterlinck aus dem Jahr 1921 ist hier erstmals seit langer Zeit zu hören. Nach mini-Mahler nimmt sich das ensemble mini übrigens mini-Wagner und mini-Brahms vor.

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