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Porträt Ewa Kupiec

„Man darf nicht zum Sklaven werden“

Die Pianistin Ewa Kupiec gastiert mit einem überraschenden Programm

vonHeiner Milberg,

„Wir Musiker sind Nomaden“, sagt Ewa Kupiec. Sie hat in Kattowitz, Warschau und London studiert, hat in Hamburg und Köln gewohnt und pendelt seit Jahren mit ihrem Lebensgefährten, einem amerikanischen Komponisten, zwischen München und Italien. Nun ist ein weiterer Ort hinzugekommen, an dem die 47jährige Polin sich mindestens zwei Tage die Woche aufhalten wird: Hannover. Mit Beginn des Wintersemesters 2011/12 hat Ewa Kupiec eine Professur an der Hochschule für Musik, Theater und Medien übernommen, die dank Lehrern wie Arie Vardi und Karl-Heinz Kaemmerling als die „beste Klavierhochschule Deutschlands“ gilt, wie sie sagt.

„Als Musiker ist man sehr auf die eigene Person und die eigene Arbeit konzentriert. Ich hatte das Gefühl, es ist an der Zeit, dass ich mich stärker mit anderen Pianisten austausche, dass ich meine Erfahrungen mit der jungen Generation teile.“ Dem Konzertleben wird Kupiec aber erhalten bleiben. „Die Musikszene ist geteilt in Konzerte, Wettbewerbe, Hochschulen. Umso wichtiger ist es, dass ein Lehrer Bühnenerfahrung mitbringt. Die jungen Leute dürfen sich nicht auf die Wettbewerbe beschränken, sie müssen wissen, wie man sich im Leben als Pianist bewegt. Mein Ziel ist, Pianisten auszubilden, denen die Musik wichtig ist und die nicht nur die technischen Aufgaben erfüllen, die der Notentext stellt. Als Zuhörer will man auf der Bühne eine Persönlichkeit erleben, die einen mit ihrer Musik fesselt.“

Damit das gelingt, muss man sich auch Freiheiten nehmen, so Kupiec. „Der Notentext ist die Basis, dem bin ich treu. Aber die Musik muss frei fließen, man darf nicht zum Sklaven werden. Es ist Unsinn zu sagen: Ich bin eine Reinkarnation des Komponisten.“

Ewa Kupiec hat ihre eigene Handschrift, und die hat sie nach dem Erfolg beim ARD-Wettbewerb 1992 in die großen Konzerthäuser der Welt und oft in die Aufnahmestudios gebracht. Zwei Schwerpunkte finden sich in ihrer Diskographie: polnische Werke, darunter Chopin, Paderewski, Lutoslawski und Grazyna Bacewicz, und viel 20. Jahrhundert, zum Beispiel die Uraufführung von Alfred Schnittkes erstem Klavierkonzert und zuletzt eine CD mit Enescu und Kodály.

Umso überraschender war das Programm ihres Antrittskonzerts in Hannover, das sie nun auch im Konzerthaus spielen wird: Schubert und Chopin, Mendelssohn und Liszt. „Die Schubert-Impromptus habe ich immer geliebt, er ist mein Lieblingskomponist momentan. Ich finde: Schubert und Chopin passen sehr gut zusammen, das ist der gleiche poetische Klang.“

Einen Wandel im Repertoire bedeutet das Programm jedoch nicht. „Nächste Saison spiele ich Lutoslawski, Ravel, Szymanowski und Debussy. Man spielt die Konzerte ja nicht nur fürs Publikum, sondern auch für sich. Man muss die Werke lieben, die man spielt, aber man darf auch nicht in Routine verfallen, deshalb stelle ich mir immer neue Aufgaben.“

Warum aber bietet Ewa Kupiec neben verschiedenen Orchesterkonzerten in jeder Saison nur ein bis zwei Rezitalprogramme an? Freimütig und lachend antwortet sie: „Ich will auch etwas anderes im Leben machen. Ich will Bücher lesen, spazieren gehen, ich habe ein schönes privates Leben, für das ich Zeit haben möchte. Ein Leben nur auf Flughäfen und in Hotelzimmern kann man als junger Mensch führen, aber das ist für mich vorbei. Man wird etwas wählerisch mit zunehmendem Alter. Und ich möchte immer die Qualität liefern, die mir vorschwebt.“

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