Mit seinem dunklen Lockenkopf, dem maßgerechten Anzug und der sauber gebundenen Fliege am Hals (er besitzt dreißig verschiedenenfarbige Exemplare!) ist Pianist Fabio Martino eine einprägsame Erscheinung. Wenn man den 31-jährigen Brasilianer dazu noch spielen hört, verfestigt sich der bleibende Eindruck: In der gläsernen Durchsichtigkeit seiner Tongebung, der rhythmischen Akkuratesse und dem intuitiven Gespür für die Formung des musikalischen Gedankens spiegelt sich die eiserne Disziplin, mit der der temperamentvolle Solist in seinem Haus in der Karlsruher Waldstadt sechs bis acht Stunden am Tag an seinem Flügel verbringt.
Die Liebe zur Musik entdeckte Martino schon als Fünfjähriger, als er von seiner Großmutter, einer Klavierlehrerin in São Paulo, spielerisch an das Instrument mit den 88 Tasten herangeführt wurde. Nach der solistischen Ausbildung in seiner brasilianischen Heimat setzte Martino – mit zwanzig Ersten Preisen internationaler Wettbewerbe in der Tasche – sein Studium bis zum Jahr 2004 in Karlsruhe fort, um anschließend die europäischen und brasilianischen Konzertpodien zu erobern. Besonders in den Werken der Romantik – etwa bei Schumann und Liszt – entfaltet Martinos fein ausdifferenzierte Dynamik vom katzenpfotenweichen Pianissimo bis zum Löwentatzenforte ihre volle Wirkung. Seinen Beethoven enthebt er mit leuchtender Leichtigkeit aller Erdenschwere, und wenn der Pianist mit dem hochvirtuos arrangierten „Tico-Tico no fubá“ dem „Spatz im Maismehl“ das Tanzen beibringt, ist das auch ein Tribut an seine brasilianische Heimat, wo die Spatzen das Lied seit einem Jahrhundert quasi von den Dächern pfeifen.
Fabio Martino: Hommage an die Heimat
Martinos Herkunft schwingt auch kräftig in seinem jüngst erschienenen dritten Album mit, auf dem er Komponisten wie Heitor Villa-Lobos, Alberto Ginastera und Carlos Guastavino den „Latin Soul“ bescheinigt. Mit dem Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester unter der Leitung von Kimbo Ishii wird Martino Tschaikowskys erstes Klavierkonzert zum Klingen bringen. Das hat zumindest eine Gemeinsamkeit mit dem rhythmisch ausgefuchsten Melodiereichtum lateinamerikanischer Komponierkunst: echte Ohrwurm-Qualitäten.
Fabio Martino spielt Villa-Lobos: