Schaut man den heutigen Musikbetrieb an, so möchte man zuweilen verzweifeln. Da stürzen sich die Massen auf Künstler, die es verstehen, eine Aura um sich herum aufzubauen, einen riesigen Medienzirkus zu veranstalten. Mit der Kunst an sich hat das wenig zu tun, es geht um Namen, es geht um Business. Allzu häufig verkauft da ein immenses Talent seine Seele, verliert den Blick auf das Wesentliche. Einer, der dieser Gefahr nie unterlag, ist der 1965 in Duisburg geborene Geiger Frank Peter Zimmermann. Er wurde in ein musikalisches Elternhaus hineingeboren – der Vater Cellist, die Mutter Geigerin –, er wusste schon mit sechs Jahren, was er wollte: „Ich will ein Weltgeiger werden“, notierte er in ein Schulheft.
Mit neun Jahren errang er Platz zwei beim Wettbewerb „Jugend musiziert“, hinter Anne-Sophie Mutter. Mit elf schaffte er beim selben Wettbewerb Platz eins. Schon ein Jahr zuvor hatte er sein Solisten-Debüt mit Mozarts G-Dur-Violinkonzert gegeben, er studierte an den Musikhochschulen in Essen und Berlin. Langsam und stetig entwickelte sich da ein Weltklassekünstler, der unbeirrt seinen Weg ging und geht, ohne einen prominenten Mentor, wie ihn etwa Anne-Sophie Mutter in Herbert von Karajan hatte.
Qualität setzt sich durch. Das scheint – angesichts unserer Glamour- und Glitzerwelt, die sich allzu sehr vom schönen Schein blenden lässt – beruhigend. Frank Peter Zimmermann spielte mit 16 Jahren bereits in der Berliner Philharmonie. Mit 17 „quittierte“ er die Zusammenarbeit mit Sergiu Celibidache, der ihm seine musikalischen Vorstellungen aufoktroyieren wollte. Andere berühmte Maestri luden den jungen Geiger ein, weil sie Aufnahmen mit ihm hörten, Lorin Maazel etwa oder Christoph von Dohnányi. Dohnányi sagte schon früh, Frank Peter Zimmermann sei für ihn einer der besten deutschen Geiger, immer wieder musizierten die beiden zusammen, zuletzt war Zimmermann häufiger Gast beim NDR Sinfonieorchester.
Eine andere Dirigenten-Legende, der Japaner Seiji Ozawa, nannte Frank Peter Zimmermann einmal den „Boris Becker der Geige“. Tatsächlich strahlt Zimmermann eine ungeheure Vitalität aus. Dazu kommt seine scheinbar spielerische, mühelose Virtuosität. Man muss ihn mit den halsbrecherischen Solosonaten von Eugène Ysaÿe hören, oder mit einer „Paganini-Hexerei“. Da hält man angesichts der Perfektion den Atem an. Doch Virtuosität und Perfektion ist ja nur die eine Seite. Da ist der warme, wohl-timbrierte, facettenreiche Geigenton, da spürt man immer die ernste und tiefe Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Werk, die Liebe zur Musik, und, wenn man so will, eine Art Dankbarkeit, dass er das große Glück hat, so große Musik spielen zu dürfen.
Frank Peter Zimmermann ist ein Musiker, der nicht nur Bach, Mozart, Beethoven und Brahms spielt. Er hat zum Beispiel die Violinkonzerte Karol Szymanowskis eingespielt, er hat die Konzerte von Britten, Busoni und Kurt Weill im Programm, er brachte zeitgenössische Werke zur Uraufführung. Er ist ein leidenschaftlicher Kammermusiker. Da gibt es seinen Klavier-Partner, den italienischen Pianisten Enrico Pace. Mit dem Cellisten Heinrich Schiff hat er eine Duo-CD aufgenommen, mit seiner (nicht verwandten) Namens-Kollegin, der Bratschistin Tabea Zimmermann, viele gemeinsame Konzerte gegeben. Und mit dem französischen Bratschisten Antoine Tamestit und dem schweizer Cellisten Christian Poltéra formiert Frank Peter Zimmermann seit einiger Zeit ein festes Trio. Frank Peter Zimmermann darf man getrost einen der vielseitigsten und interessantesten Künstler unserer Zeit nennen, einen „Weltgeiger“.