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Porträt des Komponisten und DJs Gabriel Prokofiev

DJ trifft Streichquartett

Gabriel Prokofiev erforscht als Komponist und DJ mit seinen Werken die Grenzen der klassischen Musik – seine Club-Reihe „Nonclassical Night“ ist in London bereits legendär

vonJulia Hellmig,

Ein Engländer als Artist in Residence für das Länderthema Russland? Das hat so manchen Besucher des diesjährigen Bodenseefestivals zunächst verwundert. Doch es handelt sich dabei um den Komponisten, DJ und Produzenten Gabriel Prokofiev, den Enkel des großen russischen Komponisten Sergej Prokofjew.

Aber wie viel Russe steckt tatsächlich in dem 43-Jährigen? „Obwohl ich in London geboren wurde, fühle ich mich Russland sehr verbunden“, erzählt Prokofiev in feinstem britischem Englisch. Auch wenn er seinen Großvater nicht mehr persönlich kennenlernen konnte – er starb 22 Jahre vor seiner Geburt – spielte vor allem dessen Kompositionen schon immer eine große Rolle für ihn. „Aber auch die Musik von Tschaikowsky, Schostakowitsch, Strawinsky, Schnittke oder Raskatow hat mich beeinflusst.“

Vom Hip-Hop zurück zur Klassik: Gabriel Prokofiev

Im Laufe der Jahre hat er mit vielen Künstlern aus Russland zusammengearbeitet. Und er stellte fest, dass sie seine Musik auf sehr natürliche Weise gespielt haben, oft exakt so, wie er sie sich beim Komponieren vorgestellt hat. „Die Arbeit mit den Musikern ist mir sehr wichtig, und es ist toll zu sehen, wie sich ein Werk weiterentwickeln kann.“ Seine Musik würde er trotzdem nicht als typisch russisch bezeichnen, vielmehr als kosmopolitisch. Und genauso fühlt sich der Komponist auch.

Nach seinem Kompositionsstudium wandte er sich zunächst ab von der Klassik. Er war hauptsächlich als DJ mit seinem Laptop unterwegs und produzierte unter anderem Dance und Hip-Hop. 2003 fand er zur Klassik zurück – allein schon aus Liebe zu den klassischen Instrumenten. Er komponierte sein erstes Streichquartett, dann folgten Klavierstücke sowie Filmmusik und Ballett. Sein bislang wohl ungewöhnlichstes Werk entstand 2006, ein Konzert für Turntables (Plattenspieler) und Orchester. Damit trat zum ersten Mal ein DJ in der Royal Albert Hall bei den berühmten BBC Proms auf. „Ich bin immer noch von der Kraft der reinen akustischen Musik überzeugt“, erklärt er. „Elektronische Musik ist aber auch eine Weiterentwicklung der Technologien und kann deshalb eine Möglichkeit sein, klassische Musik mit unserem modernen Leben in Verbindung zu bringen.“

Nonclassical – eine Club-Reihe der etwas anderen Art

Seine Musikbegeisterung wollte der Londoner auch an Menschen weitergeben, die nicht in klassische Konzerte gehen. Und tatsächlich hat er eine Lösung dafür gefunden: 2004 gründete er mit Nonclassical sein eigenes Label, auf dem er klassische Musik auf unkonventionelle Weise präsentieren kann. Aber Nonclassical ist ebenfalls eine Club-Reihe der etwas anderen Art. Mit diesem Format möchte er eine Brücke zwischen den beiden Genre-Welten bauen.

Doch was macht Nonclassical so besonders? „Die Atmosphäre im Club ist weniger formell als bei traditionellen Konzerten, und die Leute können sich bewegen oder etwas trinken, während sie zuhören“, berichtet Prokofiev, der dann als DJ wieder vor seinem Laptop steht. „Wenn wir eine für uns unbekannte Musik hören, sollten wir entspannt sein, sodass unsere Ohren für neue Eindrücke offen sein können.“ Vor allem in seiner Londoner Heimat besitzt seine Club-Reihe schon Kultstatus. Dass er mit seinem locker-charmanten Look, seinen schulterlangen blonden Haaren und seinem Drei-Tage-Bart zudem einen entspannten sowie aufgeschlossenen Eindruck vermittelt, schadet sicherlich nicht.

Ein Leben ohne Musik? „Langweilig und grau“

Mit seinen Nonclassical Nights möchte er außerdem die Ursprünge der Kammermusik wiederbeleben. „Damals haben sich Menschen in Privathäusern getroffen und gemeinsam musiziert“, erklärt der DJ. „Das waren vielmehr soziale Veranstaltungen und nicht bloß Konzerte vor einem Publikum, das ausschließlich dasitzt und zuhört.“ Nach den kurzen Sets von jeweils nur zwanzig Minuten kann sich das Publikum in den Pausen über das eben Gehörte untereinander austauschen.

Doch auch als Komponist ist er gefragt wie nie zuvor. Im Moment schreibt er für das Theater Regensburg seine erste Oper. Das Auftragswerk „Elizabetta“ handelt von der Angst einer Schauspielerin vor dem Alter. Das Libretto stammt übrigens von dem englischen Theaterregisseur und Intendanten David Pountney. „Ein wirklich aufwendiges Projekt, das meine volle Konzentration verlangt“, erzählt er begeistert. Was wäre ein Leben ohne Musik für ihn? „Langweilig und grau – es ist doch die Musik, die unser Leben vielschichtig und erst so richtig interessant macht!“

Ein kurzer Eindruck seines Konzerts für Turntables bei den BBC Proms:

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