„Am wichtigsten ist mir, dass ich alles ganz bewusst erlebe und wahrnehme. Und dass ich zu mir selbst und zu anderen immer ehrlich bin – auch in musikalischer Hinsicht.“ Alina Ibragimovas Rezept für eine musikalische Karriere von Format ist bemerkenswert bodenständig, wenn man auf die Wegmarken ihrer bisherigen Laufbahn blickt: Die Russin spielt erste Geige im Chiaroscuro Quartet, hat bereits sämtliche Violinsonaten von Mozart und Beethoven eingespielt und steht darüber hinaus als international erfolgreiche Solistin mit renommierten Ensembles und Orchestern auf der Bühne.
Die Liebe für die Musik wurde bei der 32-Jährigen bereits in Kindertagen geweckt: Ihr Vater spielte Kontrabass im London Symphony Orchestra, ihre Mutter ist ebenfalls Geigerin. „Wenn ich als Kind gesehen habe, wie meine Mutter Geige spielt, wollte ich das ganz einfach auch machen. Und so wurde das der Weg, den ich mit Begeisterung eingeschlagen habe und den ich nach wie vor gehe. Das habe ich nie in Frage gestellt“, erzählt sie fröhlich.
Alina Ibragimova und das Publikum
Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit stehen für die Geigerin im Mittelpunkt, und diese Werte wirken sich auch auf ihr Spiel aus. Scheinbar völlig unangestrengt und mit einer gesunden Ausstrahlung bewegt Ibragimova sich auf der Bühne mit einer tänzerischen Leichtigkeit, die selbst dann nicht verfliegt, wenn der Solistinnenalltag ihr mal wieder kräftezehrende Reisepläne vorsieht. „Es ist gefährlich, wenn man immer Routine braucht“, sagt sie nachdenklich. „Natürlich wäre ich vor einem Konzert auch gerne immer ausgeschlafen und würde gerne stets noch etwas Gutes vorher essen. Aber das ist Wunschdenken, denn es kann auch passieren, dass man am Konzertort ankommt, nur kurz probt und dann schon auftritt. Es ist gut, wenn man flexibel ist und nicht viel von außen braucht, um sich wohl zu fühlen.“
Ein Faktor, der sich auf das Gelingen eines Konzertes auswirkt, ist jedoch für Alina Ibragimova immer entscheidend – und dabei überhaupt nicht berechenbar: „Von jedem Publikum geht eine bestimmte Energie aus, die man vorher nicht einschätzen kann. Und das wirkt sich auch auf meine Stimmung beim Spielen aus. Es geht dabei gar nicht darum, ob sich die Zuhörer ruhig verhalten oder nicht, sondern vielmehr um das Gefühl, ob sie bei mir sind und mir folgen oder nicht.“ Ob als Solistin vor dem Barockorchester Il Pomo d’Oro, mit ihrem eigenen Streichquartett oder im Duo mit dem Pianisten Cédric Tiberghien: Die Programme, die Alina Ibragimova dem Publikum präsentiert, sind vielfältig und wohlüberlegt.
„Ich würde mich nie auf eine Epoche festlegen wollen“
In jüngster Vergangenheit ist die Geigerin intensiv in die Musikwelt von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven eingetaucht und erforscht deren spezifische musikalische Handschrift. „In den Gesamtaufnahmen der Sonaten habe ich die Musik noch mal ganz neu für mich entdeckt. In Mozarts Werken kann man zuerst noch den kleinen Jungen hören, der sich spielerisch ausprobiert und manchmal auch Fehler macht. Und dann kann man miterleben, wie er wächst, und man bekommt seinen ganzen Weg mit. Das ist wahnsinnig spannend und war eine echte Entdeckungsreise.“
2018 steht für Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien neben Ausflügen in die französische Romantik unter anderem ein kompletter Brahms-Zyklus auf dem Programm. „Ich würde mich nie auf eine Epoche festlegen wollen. Alles hängt ja irgendwie zusammen, und ich fühle mich von ganz unterschiedlichen Stilen inspiriert. Wenn ich mit einem Barockensemble spiele, dann mag ich den Sound, die Farben und die Artikulation und die Energie genauso, wie wenn ich vor einem großen Sinfonieorchester stehe und ein romantisches Violinkonzert spiele. Und ganz egal in welcher Besetzung ich spiele: Ich bin immer durch und durch Kammermusikerin.“
Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien spielen Mozart:
concerti-Tipp:
Kammermusik-Konzert
Sa. 6.1., 19:00 Uhr
Mit: Alina Ibragimova, Cédric Tiberghien
Ort: Berlin, Pierre Boulez Saal