Es ist still geworden um die beiden Überväter Felsenstein und Kupfer. Wer heute von der Komischen Oper spricht, spricht über die Gegenwart. Andreas Homoki hat in den letzten zehn Jahren, zunächst als Chefregisseur und dann vor allem als Intendant, ausgezeichnete Dienste geleistet. Er verpflichtete Regielegenden wie Peter Konwitschny und Hans Neuenfels, ließ aber auch junge Wilde ran wie Calixto Bieito und Barrie Kosky. Die lockten neue, nicht unbedingt opernfixierte Hörer ins Haus. Auch das Engagement in Sachen Kinderoper wurde intensiviert; es gipfelte Ende Oktober in der Uraufführung von Christian Josts köstlicher Insektenoper Mikropolis.
Die Bühne in der Behrenstraße, 2007 zum Opernhaus des Jahres gewählt, sorgte darüber hinaus für technische und gesellschaftliche Innovationen. So nahm man vor drei Jahren eine Übersetzungsanlage in Betrieb, die es jedem Besucher gestattet, über ein Display an seinem Sitz die gewünschte Sprache auszuwählen – auch türkisch ist seit kurzem darunter. Musiktheater ins Migrantenmilieu zu schmuggeln, diese Idee liegt geradezu in der Berliner Luft, die ja immerhin von 200 000 türkischstämmigen Mitbürgern geatmet wird. Nicht auszuschließen, dass die Behrenstraße irgendwann auch die überfällige deutsche Erstaufführung einer türkischen Oper von Ahmed Adnan Saygun erlebt.
Dies bliebe Barrie Kosky überlassen, der im Herbst die Intendanz von Homoki übernimmt. Auf jeden Fall wird sich das kosmopolitische Flair Berlins in Koskys Programmen niederschlagen. Wobei die schrille Tunten-Ästhetik seiner Erfolginszenierung von Cole Porters Kiss me, Kate hoffentlich nicht als Leitlinie dient. 2012/13 wird Kosky Ball im Savoy inszenieren, eine jazzige Operette von Paul Abraham aus dem Jahre 1932, außerdem eine Zauberflöte und die Opern-Trilogie Monteverdis. Orpheus, Odysseus und Poppea werden erstmals an einem Tag gezeigt, die Instrumentation stammt von der radikal undogmatischen Elena Kats-Chernin, gebürtig aus Taschkent, aufgewachsen in Australien, ausgebildet bei Helmut Lachenmann.
Doch zuvor gilt es, Homokis Abschied zu feiern, was in Form des seit einigen Jahren etablierten, hauseigenen Festivals geschieht. Hierbei werden innerhalb weniger Tage noch einmal fast alle Premieren der aktuellen Spielzeit angeboten, als da sind: Sieben Songs & Sieben Todsünden von Kurt Weill, ein schauspielerischer, tänzerischer und sängerischer Ego-Trip Dagmar Manzels, mit dem Kosky per Kleinformat an das Cole-Porter-Spektakel anknüpft; ein Freischütz, versaut von Calixto Bieito (es läuft tatsächlich ein Wildschwein über die Bühne, sonst Fehlanzeige); das wieder ausgegrabene Bronzene Pferd von Auber, musikalisch hübsch, aber künstlerisch nicht vollständig bewältigt; eine gefeierte Carmen mit Stella Doufexis in der Hauptrolle (Regie Sebastian Baumgarten); eine noch lauter gefeierte Stella Doufexis in Händels durchgehend brillant besetztem Xerxes, von Stefan Herheim als fundusverliebte Komödie gestaltet; der sich Richtung Zürich verabschiedende Intendant steuert ein Psycho-Märchen namens Schlaues Füchslein bei und – schon aus der Spielzeit 2010/11 – die ohne wohlfeile Ideologiekritik aufwartenden Meistersänger.