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Porträt Guillermo García Calvo

„Im Ballett ist das Orchester nie zu laut“

Mit Prokofjews Romeo und Julia debütiert Guillermo García Calvo als Ballettdirigent an der Deutschen Oper

vonArnt Cobbers,

Thielemann hats getan. Barenboim auch, sogar mehrfach. Doch ansonsten machen GMDs und Dirigenten-Stars einen großen Bogen ums Ballett. Ballett-Dirigieren gilt als Domäne der Spezialisten – oder der Anfänger. Auch der junge Spanier Guillermo García Calvo, den man in Berlin bislang nur als Operndirigent kennt, ist von Kollegen schon gewarnt worden, nicht den Absprung zu verpassen. „Mir ist bewusst, dass es gefährlich für die Karriere sein kann, zu viel Ballett zu machen – dabei ist es so schwer. Ein Konzert zu dirigieren ist technisch gesehen leichter, da hat man alles selbst in der Hand.“

 

Ballett zu dirigieren ist eine hohe Kunst, die viel Flexibilität, Einfühlungsvermögen und Vorbereitung erfordert. Und die Grenzen der Freiheit sind zumindest in einer Hinsicht enger gesteckt: Die Tempi müssen stimmen, sonst kommen die Tänzer in die Bredouille. „Das ist für mich die große Herausforderung“, sagt García Calvo. „In der Oper spürt man sofort, wie die Sänger atmen und ob das Tempo richtig ist. Beim Ballett kann man das nur sehen – das macht es so schwer. Jeder Tänzer braucht sein eigenes Tempo, wegen seiner Körpergröße, seiner Sprungkraft oder einfach weil er mal müde ist. Das Geheimnis, ein guter Ballettdirigent zu sein, liegt für mich darin: so viele Proben wie möglich zu erleben, genau zu beobachten, die Tänzer kennenzulernen und zu verstehen, was jeder von ihnen individuell braucht.“ Sechs Wochen vor der Premiere steigt García Calvo in die Produktion eines Balletts ein; vier Wochen begleitet und dirigiert er die Klavierproben, nur zwei Wochen arbeitet er mit dem Orchester.

 

Eingeengt aber fühlt sich Guillermo García Calvo im Ballett dennoch nicht: „Was Farben, Atmosphären, Phrasierungen und die Dynamik angeht, ist man viel freier als in der Oper. Im Ballett ist das Orchester nie zu laut.“

 

Voraussetzung für einen gelungenen Abend ist, dass die Musiker dem Dirigenten sofort folgen, dass der also eine gute Schlagtechnik hat. Dass das bei García Calvo der Fall ist, davon konnte man sich im Dezember an der Bismarckstraße überzeugen. Energisch, bisweilen zackig oder mit ausladenden Gesten, aber immer klar und ökonomisch inspirierte der 33jährige die Solisten, Chor und Orchester zu einer großartigen konzertanten Aufführung von Bizets Perlenfischern.

 

Die Souveränität erstaunt bei einem Mann, der bis vor anderthalb Jahren noch Korrepetitor war – allerdings an einem der besten Häuser der Welt. 1997 kam García Calvo zum Studium nach Wien, arbeitete zwei Jahre als Assistent Iván Fischers in Budapest und begann 2003 an der Wiener Staatsoper – als Korrepetitor mit vielen „Tastendiensten“ an Klavier und Celesta im Graben und bald schon als Dirigent von Kinderopern. Das Ballett bot ihm dann die Chance, im großen Haus zu dirigieren – er nutzte sie. Inzwischen hat er zahlreiche Repertoirevorstellungen, vor allem im italienischen Repertoire, und eine Macbeth-Premiere am Wiener Ring dirigiert und freut sich nach seinem Wagner-Debüt mit Tristan und Isolde nun auf seinen ersten Ring des Nibelungen in Oviedo.

 

„Wagner ist meine größte Leidenschaft. Übrigens hat auch er eine phantastische Ballettmusik geschrieben: das Bacchanal in der Pariser Fassung des Tannhäuser. Wenn ich kann, will ich weiterhin auch Ballett dirigieren. Da gibt es wunderbare Musik, zum Beispiel Prokofjews Romeo und Julia. Das ist wie Tristan und Isolde fürs Ballett.“

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