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Porträt Mahler-Reihe

Hamburgs musikalische Verwandlung

Daniel Kühnel stellt neues Sommerfestival für Hamburg vor

vonPeter Krause,

Wer zu den beherzten Bauherren der Musikstadt gehören will, muss gar keine offizielle Verantwortung für das Großprojekt „Elbphilharmonie“ tragen. Derjenige muss sich vielmehr verantwortlich fühlen für die wirkliche Musikalisierung Hamburgs, der möchte die Stadt als Ganzes zum Klingen bringen und ihr so ihren ganz eigenen Ton verleihen. In diesem Sinne ist Daniel Kühnel ein bekennender Bauherr der Musikstadt. Jetzt stellte er seine Pläne für ein neues Hamburger Sommerfestival vor.

In dessen Rahmen bespielt der Intendant der Hamburger Symphoniker mit seinem Orchester vom 18. bis 24. Juli 2011 eine Auswahl jener Orte unserer Stadt, die man als Museum oder Brauhaus, als Park oder Handelsplatz zunächst keineswegs mit Musik in Verbindung bringen möchte. Dennoch werden die Orte und Räume höchst sinnig in Beziehung treten zu den in ihnen aufgeführten Werken, um sich, so Kühnels Vision, die Musik gleichsam anzuverwandeln.

Dazu erklingt an sechs aufeinanderfolgenden Abenden je einer der sechs Teile der Kammerorchesterfassung von Mahlers „Das Lied von der Erde“. Kombiniert werden Mahlers vokalsinfonische Sätze mit thematisch passender Kammermusik von Brahms, Dvořák, Poulenc, Strauss oder Schostakowitsch sowie weiteren Liedern von Mahler und Hugo Wolf.

Als übergreifendes Motto der Sommermusik der Hamburger Symphoniker hat Kühnel die Idee der Verwandlung gewählt. Die spielt bei Gustav Mahler selbst schon eine bedeutende Rolle. In „Das Lied von Erde“ hat Mahler die von Hans Bethges ins Deutsche übertragene chinesische Lyrik im Sinne seiner eigenen Weltsicht bearbeitet und umkreist so die Themenfelder von Jugend und Vergänglichkeit, Schönheit und Tod, Rausch und Kunst.

Die Konzerte von jeweils etwa einer Stunde Dauer greifen das jeweilige Hauptmotiv der Liedteile auf: „Das Trinklied vom Jammer der Erde“ wird am 18. Juli in der Patriotischen Gesellschaft von 1765 angestimmt und dann durchaus launig mit Johann Strauß‘ „Wein, Weib und Gesang“ konfrontiert. Mahlers „Der Einsame im Herbst“ wird tags darauf in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme in Verbindung mit den „Metamorphosen“ von Richard Strauss aufgeführt. Am 20. Juli folgt das Lied „Von der Jugend“ in kluger Kontrastdynamik just auf dem Parkfriedhof Ohlsdorf, eingerahmt u.a. von Dvořáks F-Dur-Streichquartett. „Von der Schönheit“ wird dafür passenderweise am 21. Juli in der Kunsthalle gemeinsam mit Brahms‘ Klarinettenquintett h-Moll erklingen. „Der Trunkene im Frühling“ darf am 22. Juli sein Glas in der kargen Kantine der Holsten-Brauerei erheben. Das Streichquartett Nr. 8 von Schostakowitsch ergänzt den Abend. Zum Finale am 24. Juli mit Mahlers „Abschied“ aber kehren die Symphoniker in ihr Stammhaus zurück: In der Laeiszhalle bringen sie dann den gesamten Zyklus zur Aufführung. Die prominenten Gesangssolisten sind Iris Vermillion, Jorma Silvasti und Paul Armin Edelmann.

Ob der Zyklus nach seinen spannungsvollen Ausflügen in die Stadt dann anders klingen wird? Und ob sich die Orte ihrerseits der Musik anverwandeln werden? Eine Verwandlung erhofft sich Daniel Kühnel jedenfalls auch in Bezug auf Hamburg, denn durch das sowohl kleine und feine als auch gedanklich und räumlich so umfassende Festival soll die Hansestadt sich schließlich ihres eigenen Klangs als jenem einer Musikstadt zumindest ein wenig bewusster werden.

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